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Wärmeleitpasten-Skandal bei Grafikkarten? Die Hotspot-Probleme auf den Karten verschiedener Hersteller haben eine gemeinsame Ursache: Gier

Mikroskopie und Materialprüfung

Als Erstes ziehe ich die Paste auf dem Objektträger aus Glas einfach mit dem Spatel ab. Das Resultat ist eindeutig und war auch in dieser Form zu erwarten. Wie sehen eine fast schön ölige Nasenbildung auf dem abgestrichenen Material, welches dann als fast reine Flüssigkeit nach wenigen Minuten bereits komplett eintrocknet und sich vom Finger nicht mehr verschmieren lässt.

Das ruft natürlich nach einer höheren Auflösung, die ich ebenfalls mal gemacht habe:

Und jetzt schauen wir mal auf eine weitere Aufnahme einer homogenen Fläche in der Mitte des Abstrichs und analysieren das, was quasi als Fettschicht wie auf einer guten Hühner-Brühe oben schwimmt. Partikel zwischen 5 und 8 µm sind eigentlich gerade noch ok, damit könnte man ja durchaus leben, allerdings…

… ist das nicht die ganze Wahrheit, denn diese steckt wiederum IN der Paste und eben nicht AUF. Deshalb habe ich mit dem Laser und minimaler Leistung einfach einmal die oberste Lage als Plasma verdampft, um ins Innere zu schauen. Und nun ja, seht am besten selbst:

Partikel bis zu 16 µm sind jenseits des Sinnvollen! Man hat der fluffigen Paste aus Kostengründen einfach sehr große Partikel aus Aluminiumoxid beigemengt. Der Trick besteht darin, dass man damit eine höhere Wärmeleitfähigkeit sehr einfach und kostengünstig erreicht, weil die vielen Schichten mit den zusätzlichen Wärmeübergangswiderständen zwischen den Partikeln und dem Silikon wegfallen. Dumm ist nur, dass diese großen Partkel gleichzeitig als eine Art größere Abstandshalter fungieren, zwischen denen das Silikonöl dann zusammen mit den feinen Zinkpartikeln einfach durch- und herauslaufen kann. Das ist quasi eine Selbstauflösung mit Ansage. Mit dem verwendeten, sehr billigen Silikonöl ergäbe sich mit Sicherheit ein Materialpreis von deutlich unter 2,50 USD. Also fürs Kilo, nicht fürs Gramm!

Bei den Mengen an Paste, die da bei einem Boardpartner im Monat so verbraucht werden, ist es sicherlich noch viel günstiger, zumal die Margen hier astronomisch hoch sein dürften. Davon profitieren natürlich auch die Grafikkartenhersteller und deshalb hält sich mein Mitleid arg in Grenzen. Hier kann keiner behaupten, er hätte es nicht gewusst, denn allein beim Preis hätte man es schon ahnen können, ja eigentlich sogar müssen! Und was ist nun genau drin? Neben den Unmengen an meist nur grob gemahlenem Aluminiumoxid (Al2O3) und viel Silikonöl (Silizium, Wasserstoff, Sauerstoff) hätten wir noch etwas feineres Zinkoxid (ZnO) als billiges Füllmaterial. Kohlenstoff, der vielleicht auf ein weiter designtes Silikon hätte schließen lassen (Seitenketten), finde ich keinen. Es ist also wirklich nur einfachstes Öl.

Fazit und Zusammenfassung

Bei derartig minimalistischen Mahlgraden MUSS die Paste einfach in kurzer Zeit degradieren und sich auflösen. Das ist ein absichtlich und billig zusammengeschustertes Blendwerk mit einer eingebauten Zerfallszeit von nur wenigen Monaten. Warum man sich das als Grafikkartenhersteller antut (und diesen Dreck haben ja gleich mehrere gekauft), kann ich nicht nachvollziehen. Auch das Abschmettern der RMA-Anfragen wegen zu hoher Hotspot-Temperaturen (bis 115 °C wären ja “normal”) sind eine bodenlose Frechheit gegenüber den Kunden. Das muss man einfach so hart formulieren, denn die aufgerufenen Preise für solche Karten suggerieren eigentlich Qualität. Nur dass diese hier nicht einmal im Ansatz geliefert wird! Wenn man sich allein das Abrissbild der Paste mit den ganzen Tropfen und Blasen nach dem Test anschaut, wir einem regelrecht übel.

Ich kann jedem Hersteller nur raten, die gemeldeten Schäden im Eigeninteresse kulant zu regulieren und den bekannten Pasten-Panscher mit Schmackes in die Hölle zu schicken. So kann man mit seinen Kunden einfach nicht umgehen. Es ist traurig, dass dies bisher keinem aufgefallen ist, obwohl die Fälle deutlich zugenommen haben und sicher viele Käufer noch nicht einmal wissen, was für tickende Zeitbomben sie da eigentlich im Rechner haben. Die verwendete Paste ist einzig und allein so designt worden, um möglichst billig möglichst hohe Testwerte für kurze Zeiträume zu erreichen. Die Haltbarkeit ist hier ein komplett anderes Thema, das dabei gar keinen interessiert hat.

Für alle noch einmal der Schnelldurchlauf mit persönlicher Ansprache als Video:

Kommentar

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Falcon

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Es kann doch nicht so schwer sein zumindest bei GPU´s der >1000€ Klasse gleich ein Phasenwechselpad zu verwenden.🤦‍♂️

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RedF

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Die Paste Troknet auf dem Objekträger an? Haben die Lösemittel da rein gepanscht?
Wäre praktisch, da muss man den Kühler vorher nicht vom Prozessöl befreien^^ Auweia.

Edit:
Der fehlende Kohlenstoff in der LIBS spricht eigentlich dagegen, aber für sowas ist LIBS nicht gemacht und du hast es abdampfen lassen.

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Igor Wallossek

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Ja, das ist reichlich strange. Leider kann ich keine organischen Verbindungen im Detail analysieren und so fix, wie sich das auf der Oberfläche verzieht, bin ich eh nicht mehr. :D

Ich hatte mal eine TF8 mit etwas mehr Silikonöl, feinstem Bornitrit (hatte nichts anderes) und etwas Xylol versetzt und dann länger verrührt. Da kommt haptisch und verdunstungstechnisch in etwa der gleiche Pamps raus. :D

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anton_

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es gibt auch flüchtige Siloxane. hätt ich da in meiner Silikonöl Sammlung

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RedF

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4,903 Kommentare 2,726 Likes

Danke : ) Bei Silikonöl habe ich kaum bis keine erfahrung. Kurze Ketten sollten ja reichen um flüchtig zu sein.

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anton_

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114 Kommentare 38 Likes

Ich mach zum Teil Geld mit Kosmetika Grundstoffen, da sind die gar nicht so selten. sind dünnflüssige (Wasserkonsistenz) Methylsiloxane. zum Teil sogar dann brennbar.

Ich hab diverse Silikonöle von dünn bis fast Honigkonsistenz , für "Kosmetische" Gleitmittel :D

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Ghoster52

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OmG, da hab ich mit meinen alten GB Karten noch richtig Glück gehabt, 🤪
da hab ich die eingetrocknete Pampe erst nach 3-5 Jahren wechseln müssen.
War aber immer das selbe (graue) Bröselzeug, am schnellsten ging es bei der 1080.
Die 3090 FE hatte ja ab Werk ein Pad-Problem.

Ich könnte es ja bei einem 20€ Kühler verstehen, wenn man minderwertige Pampe dazu bekommt.
Hier geht es um Karten für 1000 -2000 €, sozusagen die obere Fahnenstange und dann wird so ein Mist abgeliefert.
Ohne Schutzschaltungen wären diese Karten im GraKa Himmel... :poop:

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echolot

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Ich gehe mal stark davon aus, dass das den Herstellern so nicht bekannt ist. Hat ja auch noch niemand so richtig untersucht. Das ist ein komplett unterschätztes Thema. Jeder schaut nur auf die Lüfter, Drehzahlen und die Kühlerausführung. Wenn Igor hier etwas angestoßen hat, dann hat sich der Artikel schon gelohnt. Bleib bitte dran!

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eastcoast_pete

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1,706 Kommentare 1,043 Likes

Ist es auch nicht. Wenn wenigstens einer der dGPU Herstellern (Boardpartner) aufwachen würde und erkennt, daß sie sich so (Verwendung von Phasenwechselpads) von den anderen Anbietern differenzieren könnten, passiert es vielleicht auch. Gerade bei teureren GPUs wären solche inneren Werte doch für einige von uns viel attraktiver als wenn die Karte mit Kriegsbemalung und Weihnachtsbaum Beleuchtung daherkommt, und dann aber so eine schlechte Billigpampe mit vorprogrammiertem Versagen auf der GPU hat.

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Igor Wallossek

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Bei Powercolor und XFX wird mittlerweile sogar aggressiv mit diesen Pads geworben. :)

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RedF

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Endlich ist es angekommen.

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Phelan

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Ich erwarte bei jeder Grafikkarte ab 1€ das die WLP zumindest den angegebenen Garantiezeitraum von 2,3,5 Jahren überlebt. Egal wie es der Hesteller dann technisch umsetzt.
Phasenwechselpads kann man mit Sicherheit genauso auf rotz billig "optimieren"

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Igor Wallossek

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10,509 Kommentare 19,696 Likes

Das Teil für eine RTX 4080 kostet in diesen Stückzahlen keine 0,15 USD, aber die Billig-Paste liegt nun mal bei rund 0,005 USD :D

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cunhell

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Naja, die Kosten nicht vergessen, die einer kostet, der den Käufern klar macht, dass 115°C in Ordnung sind.
Aber kann ja auch noch andere Ausreden lernen. ;)

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Phelan

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203 Kommentare 180 Likes

Ok, das sprengt natürlich die Marge ;-)

PS: Hab halt noch nie in einer Graka nachträglich die WLP/Pads auswechseln müssen... und die 1070 war 6 Jahre jeden Tag mehrere Stunden unter Last. Ich habe über 10 Jahre eine TNN300 Passivegehäuse zum Daddeln benutzt und das ging auch mit 1x WLP auftragen die auch nach 10 Jahren nicht ausgetrocknet war.

Da bekomm ich VW Flashbacks, wo Ein BWLer vorgerechnet hat, den Schlüsselrings am Autoschlüssen wegzulassern natürlich nur 1 Cent spart aber VW ja 5 mio Autosschlüssel pro Jahr ausliefert.

Dies Kosten der 0,1% generften Autokäufer die beim Suppord anrufen sind vermulich bereits höher ... aber iss ja ne andere Abteilung.

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Igor Wallossek

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Das regelt doch die Schutzschaltung der Grafikkarte :D

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Phelan

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203 Kommentare 180 Likes

Aber schön zu sehen das solchen Problemen nachgegangen wird obwohl die Hersteller ja selber ein Interesse daran haben sollten. Wenigstens weis man als Anwender moderner GRafikkarten zuminst, wo man hinschauen muss wenn die GPU mit Hitzewallungen schwächelt.

2 Fragen:
Technisch würde es aber schon gehen auch 400W Grafikkarten mit WLP oder Phasenwechselpad zu bauen die mindestens 2 Jahre intensive Nutzung durchstehen? Oder sagt die Physik hier einfach nein?
Sind gute Phasenwechselpad langlebiger als gute WLP?

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Wie jetzt?

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Oh, das mit der TIMA5 wird da jetzt aber für sehr viele ein sehr lauter Weckruf. Bisher war diese Lumperei nur eine durch diverse Beispiele gespeiste Vermutung, aber jetzt, mit lückenloser Beweiskette? Ich bin auch auf die Tests von Pads und Putty gespannt. Das Thema effiziente und langlebige Wärmeableitung wird in Zukunft sicher nicht kleiner werden.

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Pokerclock

Veteran

494 Kommentare 427 Likes

Aktuell ist die Sachlage recht frustrierend. Mein Interesse als jemand, der mit den Grafikkarten Geld verdient, ist Stabilität und vor allem keine zeit- und damit kostenintensiven Nacharbeiten alle 9 bis 12 Monate.

Pasten trocknen zu schnell aus, egal welche.

Pads zerreißen auf Dauer durch die Warm-Kalt-Zyklen.

Aktuell gibt es keine Lösung, außer eben alle 9 bis 12 Monate wechseln. Das beißt sich aber mit den Garantiebestimmungen, wenn man es selbst macht. Währenddessen werden RMA abgewiegelt und dauern, selbst wenn es als Fehler akzeptiert werden würde, teils 4 bis 6 Wochen weil einmal Asien und zurück.

Wie geschrieben, absolut frustrierend die Situation.

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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