Ich bin ein fairer Mensch und seit Langem auch Liebhaber und Käufer der TDU-Serie, aber was Nacon und KT Racing jetzt als Test Drive Unlimited Solar Crown abgeliefert haben, übersteigt auch meine Grenzen der antrainierten Leidesfähigkeit eines Windows Users der allerersten Generation. Ich habe extra noch den ersten großen Patch und die letzten Serverwartungen abgewartet, um ein Review zu schreiben. Aber irgendwann ist auch der letzte Mohikaner weichgeklopft und gibt auf. Und warum das alles?
Zunächst erst einmal emotionslos: Test Drive Unlimited Solar Crown ist ein Open-World-Rennspiel, das von KT Racing entwickelt und von Nacon veröffentlicht wurde. Es spielt auf einer detaillierten Nachbildung von Hong Kong Island, die das Hauptsetting des Spiels bildet. Das Spiel verspricht, eine „soziale“ Rennumgebung zu schaffen, in der Spieler nicht nur gegeneinander antreten, sondern auch ihre virtuelle Identität und ihren Ruf aufbauen können, ähnlich wie in einem sozialen Netzwerk. Das Setting von Solar Crown bietet eine Mischung aus urbanen, ländlichen und Bergstraßen, die in verschiedenen Modi befahren werden können. Man rühmt die Detailverliebtheit, aber wer das tut, war sicher noch nie in Hongkong, die Entwickler inklusive.
Die Spieler können unterschiedliche Autos aus einer breiten Palette an Fahrzeugklassen fahren und diese an ihre Vorlieben anpassen. Die Insel ist in verschiedene Gebiete unterteilt, in denen rivalisierende Fraktionen um die Vorherrschaft kämpfen, was sowohl Einzelspieler- als auch Multiplayer-Inhalte integriert. Apropos Gebiete: In Hongkong sind die Taxis farblich unterschiedlich, je nachdem, in welchem Gebiet sie fahren. Die roten Taxis sind die verbreitetsten und verkehren in den städtischen Gebieten von Hongkong Island und Kowloon. Grüne Taxis sind für die New Territories vorgesehen, während blaue Taxis auf der Insel Lantau unterwegs sind, wo sich unter anderem der Flughafen und Disneyland befinden.
Jede Farbe repräsentiert also eine spezifische Region, was den Passagieren hilft, das richtige Taxi für ihr Ziel zu wählen. Aber warum sieht man dann generell nur rote Taxis und dann auch nur als 4-Sitzer im Spiel? Ja, Kleinigkeiten, aber hier hat man lediglich Klischees in Form von Spielzeugautos aus Souveniershops abkopiert. Ja, Erbsenszählerei, aber ich nehme ja nur das Marketing beim Wort. Denn so, wie die Entwickler eigentlich keinen blassen Schimmer von Hongkong zu haben scheinen, ist von denen sicher auch noch nie jemand Auto gefahren, doch dazu später noch ein paar Sätze. Aber Fehlermeldungen können sie wenigstens bauen, immerhin etwas…
Technisch gesehen setzt das Spiel auf eine Always-Online-Struktur, was bedeutet, dass eine Internetverbindung erforderlich ist, um das Spiel zu spielen. Diese Entscheidung hat zu erheblichen Problemen mit dem Spiel geführt, insbesondere zu Serverinstabilitäten und Verbindungsabbrüchen. Test Drive Unlimited Solar Crown nimmt uns genau deshalb mit auf eine spannende Reise, nicht nur auf den Straßen Hongkongs, sondern vor allem in die technischen Untiefen moderner Spielentwicklung. Mal wieder. Und da kommt man schon mal schnell vom Regen in die digitale Traufe.
Und es scheint fast so, als hätten die Entwickler beschlossen, weniger Wert auf das Rennfahrerlebnis zu legen und sich stattdessen voll und ganz auf die Serverwarteschlangen und Timeout-Bildschirme konzentriert – schließlich ist Geduld heutzutage eine unterbewertete Tugend, und Solar Crown will seinen Beitrag leisten, dies zu ändern. Oder aber man konzentriert sich auf “Wartungsarbeiten”, die dann bis zu 36 Stunden dauern und nichts gebracht haben außer gesparten Strom. Womit Ihr sicher auch gemerkt habt, dass ich den Frust-Teil vorangestellt habe. Mehr zum Spiel kommt erst danach, weil es das einfach nicht wert ist. So viel Potential zu verschenken, verdient eigentlich Einzelhaft für jeden einzelnen Beteiligten. Gute Idee, nett angefangen und nach einem medialen Höhenflug als binärer Bettvorleger hart bruchgelandet. Schande.
Das Spiel ist ja angeblich ein „MMO“, was so viel bedeutet wie „Massively Multiplayer Online“. Doch wer tatsächlich erwartet, gegen andere Spieler anzutreten, wird schnell feststellen, dass diese mysteriösen „anderen Spieler“ entweder nicht existieren oder irgendwo tief im Code des Spiels verloren gegangen sind. Stattdessen tritt man gegen die omnipräsente, perfekt trainierte KI an – die einzige Instanz, die zuverlässig erreichbar ist. Und es gibt Rennen, da klappt das mit dem KI-Surrogat noch nicht einmal. Und man wartet dann lange 15 Minuten, nur um festzustellen, dass man vergebens wartet. Der Widerspruch zwischen den offiziellen Spielerzahlen und denen, die dann wirklich online sind, ist eklatant. Auf der Map sieht man oft genug vielleicht nur 4 oder 5 Fahrer, die aber schneller wieder in den Tiefen des digitalen schwarzen Lochs verschwinden als man Mops sagen kann. Braucht keiner, will keiner.
Die Realität sieht so aus: Während man durch die Straßen Hong Kongs cruist, um endlich ein Rennen gegen andere Spieler zu starten, ist der Online-Verkehr in den Lobbys mehr ein Wunschtraum als Realität. Selbst nach mehreren Minuten Warten in der Warteschlange – begleitet vom eleganten „Login Error“-Soundtrack – stellt man fest, dass die einzige Gesellschaft, die man finden kann, die gute alte KI ist. Und genau die reicht nun mal nicht immer. Das Problem ist nicht etwa, dass die Server die wenigen menschlichen Gegner bösartiger Weise verstecken – es scheint schlichtweg niemand da zu sein. Sicher, theoretisch gibt es Tausende von Spielern, aber praktisch? Nun, die meisten verbringen wohl mehr Zeit damit, den Verbindungsaufbau zu bewundern als tatsächlich Rennen zu fahren. Es könnte sein, dass die Hälfte der Spieler einfach in der Warteschlange stecken bleibt, während die andere Hälfte das Spiel bereits frustriert verlassen hat. Oder sie stehen nur dumm rum und machen alles Mögliche, außer zu fahren.
Technologisch gesehen, ist Solar Crown somit ein Meisterwerk der modernen Ironie. Die Serverstruktur basiert auf dem „Always Online“-Prinzip, was bedeutet, dass das Spiel ohne Internetverbindung einfach nicht spielbar ist. Man kommt ja noch nicht mal ohne rein. Und das Beste daran? Selbst mit Internetverbindung ist es oft nicht spielbar! Dank akribischer Optimierung sorgt das Spiel für ein unvergleichliches Timeout-Erlebnis und regelmäßige Verbindungsabbrüche, die das eigentliche Gameplay beinahe überflüssig machen. Da gibt es zum Beispiel die sechs Crown Jewel Herausforderungen, wobei das längste Rennen, je nach eigenen Skills, zwischen 44 und 60 Minuten dauern kann. Und ich habe nicht nur einmal virtuell vor Wut in die Tischkante gebissen, wenn man kurz vorm Ziel dann einfach so rausgekickt wurde. Das lasse ich mit mir und meiner Lebenszeit einfach nicht machen.
Grafisch beeindruckend und mit dynamischen Wettereffekten ausgestattet, bietet Solar Crown das perfekte Panorama für die Zeit, die man damit verbringt, sich über „Login-Fehler“ zu ärgern. Vielleicht hätten die Entwickler dann doch besser mehr Zeit darauf verwendet, diese beeindruckende Grafik auch den Spielern zugänglich zu machen, statt sie hinter Serverproblemen und Warteschlangen zu verstecken. Aber wer will schon ein funktionierendes Spiel, wenn man stattdessen eine technische Herausforderung haben kann? Und so fährt man also gegen die allzu perfekte KI, die immer zur Verfügung steht – als ob sie wüsste, dass sie die einzige wirkliche Konkurrenz in diesem „MMO“-Rennspiel ist. Während der Spieler wartet und wartet, um endlich gegen einen echten Menschen anzutreten, bleibt die Serverwelt so menschenleer wie eine Rennstrecke nach Mitternacht. Ironischerweise zeigt Solar Crown uns damit, wie einsam das Leben als Racer doch sein kann – zumindest online. So, genug lamentiert, ein paar Impressionen habe ich ja doch zusammenbekommen, also bitte einmal weiterblättern…
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