Nach den ganzen, natürlich notwendigen technischen Details und den Messungen kommen wir nun endlich zum Wichtigsten: Wie klingt der Sendy Audio Aiva im subjektiven Check? Wir setzen jetzt dort fort, wo es manchmal noch mehr weh tut: nämlich beim individuellen Hörtest quer durch alle Genres und einige Spiele. Der Sendy Audio Aiva wurde über Tage hin fleißig eingespielt (ob man nun daran glaubt oder nicht), dieses Argument entfällt also. Zum Einsatz kommen meine Tidal-Playlists (Master) mit Klassik, Jazz, Rock, elektronischer Musik und diversen Vocals (Soul, Chormusik) im Loop.
Bassbereich
Musik: Der offene Sendy Audio Aiva scheitert zwar nicht einmal an der Subkontraoktave, wohl aber etwas am gelieferten Pegel unterhalb der 33 Hz, der ohne manuelle Nachbesserung an einem Equalizer nicht mehr so prägnante Ergebnisse wie ein geschlossenes System liefert. Trotzdem spielt der Sendy Audio Aiva wirklich richtig tief und vor allem wieselflink und knackig. Die riesigen Treiber neigen nicht zum Nachschwingen, was wirklich gefällt. Die Kontraoktave samt großer Basstrommel ist zwar etwas dominanter anwesend, bleibt aber ebenfalls staubtrocken und dezent.
Es wummert und schrammelt nichts, noch nicht mal im Ansatz, sondern es bleibt auch frei von hässlichen Resonanzen. Der Bass ist da, wo er hingehört, mag aber für so Manchen auch etwas zu blutleer klingen. Hier spielen sicher auch Hörgewohnheiten eine große Rolle doch die mögliche Pegelfestigkeit ist ok. Das geht wiederum voll in Ordnung, denn selbst beim Einsatz eines EQ samt größeren manuellen Bassanhebungen unter 64 Hz geht dem Sendy Audio Aiva nicht so schnell die Puste aus. Hier braucht man dann aber schon einen sehr potenten Kopfhörerverstärker im niederohmigen Bereich.
Gaming: Fürs Gaming könnten die Granaten etwas lauter wummern, aber man hört, selbst wenn man es beim Pegel und mit einem EQ völlig übertreibt, parallel dazu noch alles, was über dem angehobenen Frequenzbereich liegt, was richtig gut gelingt. Die Differenzierung der einzelnen Klangschichten und Frequenzbereiche ist hier phänomenal und man schlägt auch ohne Vordergründigkeit den eigentlich souveränen T1 locker. Es klingt ohne EQ nicht zu dominant, aber immer noch voll genug.
Musik: Dieser Bereich klingt erfrischend natürlich, ohne extra angefettet zu sein und und gehört damit zu den Glanzpunkten des Sendy Audio Aiva. Der Tiefstbass schiebt den Oberbass auch bei hohen Pegeln nie in Richtung Mitten, was mich als Grundton-Fanatiker wirklich begeistert. Die männlichen Vocals werden recht voll und satt modelliert, bleiben dabei allerdings auch komplett staubtrocken, was fast schon etwas in die Kühle des Analytischen abdriftet. Aber nur fast. Die Instrumente werden ebenfalls leicht neutral angebunden, was aber nicht unangenehm klingt, denn neutral heißt nicht kalt, sondern eher zurückhaltend und nicht überbetont.
Gaming: So muss Gaming! Die Badewannen-Schrammelei braucht kein Mensch und menschliche Stimmen bekommen hier ein grundsolides Fundament. Manch einer wird sich fragen, ob die Synchronsprecher im Spiel immer noch die gleichen sind. Das ist stellenweise wirklich frappierend und kommt dem jeweiligen Original schon sehr nahe. Der Sendy Audio Aiva ist in dieser Tonlage mit Sicherheit kein Ausfall beim Gaming.
Mitteltonbereich
Musik: Das klingt fülliger als es die lineare Ausrichtung vermuten ließe, aber nicht zu warm. Viele Details der Grundtonfrequenzen bleiben trotz einer leicht samtigen Auslegung sehr nahe am Original und verschwimmen nicht in einem übertrieben Kaminfeuer-Ambiente. Allerdings gibt’s auch keinen analytischen Kühlschrank. Diese Spielart mit den angenehm warmen unteren Mitten ist richtig gut gelungen und setzt sich nach oben hin auch konsequent fort. Weibliche Vocals klingen im Fundament mindestens genauso souverän wie die männlichen. Chapeau, denn auch hier ist der T1 erst einmal im Nachteil, auch wenn er, subjektiv betrachtet, etwas besser auflöst.
Gaming: Die weiblichen Vokals bleiben dort, wo sie hingehören und stets verständlich. Der Grundtonbereich besitzt auch hier ein schönes Fundament, auf dem es sich nach oben hin gut aufbauen lässt.
Musik: Es bleibt bis 2 KHz fast linear, was der differenzierten Wiedergabe sehr zuträglich ist. Die Bühne ist richtig breit und die subjektiv empfundene Qualität der räumlichen Auflösung ist auf einem extrem hohen Niveau. Ob man das dann im Detail mit einer etwas zu großen Stereo-Basisbreite so mag, sei mal dahingestellt, aber es gelingt bei beiden Kontrahenten eigentlich recht gut. Ein großes Orchester wirkt (rein subjektiv betrachtet) in der Breite beim Sendy Audio Aiva sehr weit aufgestellt, in der Tiefe aber noch gut gestaffelt und in der Summe auch noch recht plausibel positioniert. Hohe Pegel bei sehr vielen gemeinsam spielenden Quellen sind hier kein Thema, denn die Ortung bleibt gegeben. Allerdings ist der T1 im finale furioso etwas souveräner, weil pegelfester. Aber er ist im Präsenzbereich eh etwas lauter (und nervtötender).
Gaming: Hier ist das mit dem Pegel nicht ganz so kritisch, es ist fast alles so, wie man es als Gamer gern hätte. Die Lokalisierung der Schallquellen ist wirklich überdurchschnittlich und selbst ein lauter Schlag im Bassbereich schiebt sich nicht bis hier hoch, sondern alles bleibt fest auf dem Klangboden stehen. Da kann jedes noch so toll abgestimmte Gaming-Headset nur traurig in den Hof weinen gehen.
Hochtonbereich
Musik: Die Wiedergabe bleibt geschmeidig ungestresst und sie setzt auf den sehr gut und fast schon neutral gut modellierten Mitten auf. Die Sprachverständlichkeit sowie die Qualität der Vocals bei der Wiedererkennung können absolut überzeugen. Ich schrieb ja schon: der Präsenzbereich ist betont, aber nicht so stark, wie bei manch anderem Kopfhörer dieser Preisklasse. Mir persönlich gefällt es ausgenommen gut, weil es nicht ermüdet.
Gaming: Hier gilt exakt das Gleiche, das Resultat kann auch beim Gaming überzeugen. Vielleicht ist es ebenfalls schon etwas zu zurückhaltend, aber das stört mich beim Zocken eher weniger. Man hört ja gefühlt eh schon mehr, als wirklich da ist.
Musik und Gaming: Der Hochton ist gut, geht allerdings bei 6 bis 7 kHz noch einmal in die große Offensive. Dadurch entsteht eine gewisse Überspitzung, wie man sie auch als sogenanntes “Beyer Peak” kennt. Sibilanten und Ausblasgeräusche sind manchmal sehr vordergründig und es gleitet, allerdings seltener, auch schon mal etwas ins Metallische und Spitze ab. Sind die Grundtöne noch angenehm und voll, bildet sich hier bereits leicht eisige Höhenluft. Der Superhochton spielt bis ins Unhörbare und ist damit auch frei von jeglicher Kritik.
Zusammenfassung und Fazit
Kommen wir zunächst zur Kritik, denn die fällt deutlich knapper aus als das Lob. Ja, der Sendy Audio Aiva ist ein hochinteressanter Kopfhörer, dessen Stereoeindruck aber fast schon etwas übertrieben breit ausfällt. In der gefühlten Mitte wird noch sehr fein aufgelöst, was der T1 so nicht schafft. Dafür schiebt der Sendy Audio Aiva aber alles, was eher leicht außen positioniert ist, noch etwas weiter an den Rand. Das ist noch nicht einmal wirklich störend, aber es kann bei bekannten Musikstücken durchaus auch etwas irritieren. Zumindest am Anfang, denn auch daran kann man sich recht schnell gewöhnen.
Man hat manchmal einfach das Gefühl, das bestimmte Quellen (vor allem ab den oberen Mitten) schon etwas zu weit außen platziert werden und sich der Sendy Audio Aiva dann etwas mehr an der Breite abarbeitet als an der räumlichen Tiefe, was aber täuscht. Nicht die Tiefe ist zu gering, sondern die Breite zu etwas voluminös. Das ist allerdings Jammern auf allerhöchsten Niveau, eher gut fürs Gaming und doch ein kleiner Mangel, so dass der T1 diese Kategorie, wenn auch knapp, dann doch noch gewinnt.
Und nun kommen wir zum Lob und den Gründen, warum ich dieses Teil als Ersatz behalten habe: Der Sendy Audio Aiva sitzt auf meinem Kopf (subjektives Urteil) trotz des hohen Gewichts einfach um Welten besser. Die gut konturierten und sehr gut belüfteten Ohrpolster sowie die passende Gelenkmechanik sind genau das, was mir einen Langzeit-Tragekomfort bietet, den ich so bisher selten hatte. Dazu kommt die optische und haptische Anmutung, die sich wirklich sehen und spüren lässt. Das Plus ist dann noch klangliche Abstimmung, die mir auch ein längeres und ermüdungsfreies Hören garantiert.
Die Bässe sind für einen offenen Kopfhörer erstaunlich tief und knackig. Die Höhen werden stellenweise etwas stärker angehoben, ohne aber zu spitz zu wirken. Der Präsenzbereich unterhalb wird hingegen leicht zurückgenommen, ist aber noch ausreichend voluminös und wirkt dadurch sogar angenehm samtig und weich. Dies scheint im Gesamtbild dann die Mitten recht breitbandig ein klein wenig abzusenken, was aber in Wirklichkeit gar nicht der Fall ist. Das wirkt nur so, wie die Messkurve beweist, weil Bass und Höhen so selbstbewusst aufspielen.
Apropos Höhen, der Sendy Audio Aiva spielt die Höhen sicher, stellenweise (etwas zu) prägnant, aber immer agil und richtig detailliert. Ja, er ist einigermaßen luftig, aber nicht zu sehr. Und er ist auch nicht bissig, wenn auch stellenweise schon ordentlich spitz. Wer Bach-Trompeten mag, wird hier in jedem Fall fündig. ohne dass er gleich ein düsteres Jericho-Feeling bekommt. Die Auflösung ist in allen Bereichen ohne Fehl und Tadel und der Sendy Audio Aiva spielt eigentlich schon in der 1000-Euro Klasse. An den großen Bruder Sendy Audio Peacock kommt er nicht ganz heran, allerding kostet dieser auch über das Doppelte. Den durfte ich mittlerweile auch schon einmal hören und ich war hin und weg. Nur der Preis war dann noch im Weg und es wurde “nur” der Aiva. Man kann es beim Audio auch schnell mal übertreiben.
Der Sendy Audio Aiva ist Oberklasse und kein High-End, so wie der Beyerdynamik T1 auch. Wobei der Trend wirklich nach oben zeigt, denn in einigen Bereichen kann er den T1 sogar hinter sich lassen, der immerhin um die 40% mehr kostet. Damit hast sich bei mir quasi auch ein 1:1 Tausch ergeben, so dass ich finanziell nichts eingebüßt habe. Aber es gibt auch Momente, wo ein symmetrischer Anschluss, sauber verarbeitetes Holz, die besten Ohrpolster, die ich je hatte und die guten planaren Treiber einem ein breites Lächeln ins Gesicht zaubern. Spätestens dann kann man sich zufrieden zurücklehnen, weil man nichts falsch gemacht hat.
Und damit ist mir der Sendy Audio Aiva eine persönliche Empfehlung wert, auch wenn ich einschränken muss, dass man diese Art der Wiedergabe und Klangentfaltung mögen muss. Es ist, ohne Equalizer, nur bedingt ein reiner Spaßkopfhörer, dessen muss man sich bewusst sein. Dafür ist er aber langzeittauglich, alles andere als stressig und vor allem auch ehrlich. Und Ehrlich währt bekanntlich ja am längsten. Nennen wir es mal Supersportwagen mit dem ungebrochenen Talent zum entspannten Cruisen. Das hat Charme, auch wenn man mal das Pedal voll durchtritt.
Nachbemerkung
Die Treiber solcher Kopfhörer findet man meist in sehr unterschiedlichen Modellen wieder, wobei es günstiger, aber auch noch teurer geht. Nur ist ein Treiber kein alleiniges Merkmal, denn auch der Rest muss perfekt aufeinander abgestimmt werden und gut harmonieren. Das sind dann nicht nur Optik und Haptik, die einen höheren Preis begründen (sollen), sondern die akutischen Folgen aus Treiber, Schale, Dämpfung, Ohrpolstern, Abdeckungen und vielem mehr. Da reichen oft die kleinsten Nunacen, um über Sieg oder Niederlage zu entscheiden. So gesehen ist der Preis zwar hoch, aber auch akzeptabel, wenn man einen Kopfhörer seinen eigenen Ansprüchen unterwirft und er diese mehr oder weniger gut erfüllt.
65 Antworten
Kommentar
Lade neue Kommentare
Urgestein
Veteran
1
Veteran
Veteran
1
1
Veteran
Veteran
1
1
Urgestein
1
Mitglied
Veteran
Urgestein
Veteran
1
Urgestein
Alle Kommentare lesen unter igor´sLAB Community →