Degradation in den ersten Zyklen und möglicher Trend
Wärmeleitpaste kann in den ersten Zyklen von Erwärmung und Abkühlung bei ihrer Wärmeleitfähigkeit variieren und diese zum Teil sogar verlieren. Das passiert hauptsächlich, weil die Paste mechanisch verdichtet wird, wenn sie zwischen den unebenen Oberflächen von Prozessor und Kühlkörper zusammengedrückt wird. Dieser Prozess kann anfänglich die Leitfähigkeit sogar kurzzeitig verbessern, da Luftblasen reduziert werden, führt aber manchmal auch zu kleinen Lücken, die die Wärmeleitung dann wieder dauerhaft verschlechtern.
Außerdem enthalten manche Wärmeleitpasten flüchtige Verbindungen, die bei den ersten Erwärmungen ausgasen. Dieses Ausgasen kann zu einer Verringerung der Materialdichte und damit zu einer weiteren Abnahme der Wärmeleitfähigkeit führen. Durch wiederholtes Erhitzen und Abkühlen kann sich die Konsistenz der Paste ebenfalls verändern. Sie könnte aushärten oder sich absetzen, was die Fähigkeit zur effizienten Wärmeleitung beeinträchtigt. Zudem führen thermische Zyklen zur Alterung der Paste, was insbesondere bei minderwertigen Produkten zu einer langfristigen Verschlechterung der Leistung führt. Hochwertige Wärmeleitpasten sind jedoch dafür ausgelegt, über viele Zyklen stabil zu bleiben, sodass dieser Effekt minimal ist.
Ich habe für diese Analyse, die das Anfangsverhalten exakt abbildet, aber für die weitere Alterung nur einen Trend abzeichnen kann, einen ganzen Tag investiert, da ich denke, man sollte das durchaus schon einmal machen. Die Industrie testet hier 1000 Zyklen und mehr, allerdings in kürzeren Intervallen. Trotzdem ist bereits nach nur 5 Intervallen keine Trendumkehr mehr möglich, so dass ich hier durchaus eine belastbare Aussage treffen kann, was das Anfangsverhalten einer Paste betrifft. Die Noctua NT-H2 büßt bei 100 °C in den ersten 7 Zyklen rund 4 Prozent ihrer effektiven Wärmeleitfähigkeit ein, was eher mittelmäßig ist. Alle DOWSIL-Pasten aus den Tests liegen hier bei nur rund 1 Prozent, es gibt aber auch deutlich schlechtere Pasten wie die Thermal Hero Quantum. Im kalten Zustand bei 25 °C beträgt der Abschlag bei der Noctua NT-H2 allerdings bereits über 40 Prozent!
Da die normalen Temperaturen auf einem CPU-Die weit unter 100 °C liegen, sind hier die ersten 2-3 Werte eigentlich nutzlos und ich würde jedem Kollegen raten, diese Paste erst nach mindestens zwei vollständigen und längeren Last- und Abkühlungszyklen zu testen. Ich weiß, das kostet Zeit, aber ich mache das ja auch, bevor ich Pasten teste. Allerdings mache ich jedes Mal einen Ausgasungszyklus bei rund 150 °C und 500 µm BLT, damit sich die Paste quasi wie ein guter Teig etwas schneller finalisiert.
Die verwendete Matrix und das Ausgasen
Das Ausgasen der Siloxane bei steigendem Druck ist ein komplexer Prozess, der durch die Wechselwirkung von Druck, Temperatur und den physikalisch-chemischen Eigenschaften der Siloxane beeinflusst wird. Ein wichtiger Faktor ist die erhöhte Löslichkeit von Gasen im Material. Mit steigendem Druck lösen sich Gase besser in der Materialstruktur, und bei anschließender Temperaturerhöhung können diese Gase schneller entweichen. Zudem führt der höhere Druck zur Kompression der Zwischenräume in der Polymermatrix, in denen flüchtige Komponenten gespeichert sind. Bei Erwärmung werden diese Moleküle mobiler und können leichter freigesetzt werden. Der Druck verändert auch die physikalischen Eigenschaften des Materials, wodurch es weniger flexibel wird und flüchtige Moleküle weniger stark zurückhalten kann.
Steigender Druck kann außerdem die Reaktionskinetik beeinflussen und Zersetzungsprozesse beschleunigen, wodurch mehr gasförmige Produkte entstehen. Ein weiterer Faktor ist der erhöhte Dampfdruck bestimmter flüchtiger Komponenten bei höherem Druck, der in Kombination mit einer Temperaturerhöhung zu einem verstärkten Ausgasen führt. Diese Mechanismen erklären, warum bei steigendem Druck, insbesondere in Kombination mit einer Temperaturerhöhung im Bereich von 75°C bis 85°C, das Ausgasen der Siloxane verstärkt auftreten kann, wie wir es hier in der nächsten Grafik anhand der abnormal anwachsenden BLT bei 40 N sehen, die sich oberhalb von 90 °C wieder auf den Wert von 4 N normalisiert.
Doch wie kommt der “Buckel” zustande, den man bei 4 N (entspricht den üblichen maximal 40 N bei größeren Grafikchips) nicht sieht, der aber bei 40 N (eher im CPU-Bereich, Intel LGA 1700) extrem ausgeprägt ist? Ich kann leider keine organischen Verbindungen detailliert analysieren, das würde auch zu weit führen. Allerdings lässt das viskoelastische Verhalten durchaus gewissen Schlüsse auf die verwendeten Siloxane zu. Ein befreundeter Lebensmittelchemiker hatte dazu vor einiger Zeit eine interessante Anmerkung.
Das Ausgasen in einer möglichen Verbindung mit Essigsäure (Acetaten) könnte nämlich durch ein ähnliches Verhalten erklärt werden, insbesondere im Temperaturbereich von 75°C bis 85°C und bei steigendem Druck. Acetate, die in bestimmten Siloxanformulierungen als Vernetzer oder Katalysatoren verwendet werden, können flüchtige Komponenten enthalten, die unter bestimmten Bedingungen zur Gasfreisetzung führen. Bei steigendem Druck lösen sich diese flüchtigen Bestandteile, wie Essigsäureverbindungen, besser in der Polymermatrix, und bei einer Temperaturerhöhung erhöht sich ihre Mobilität, wodurch sie leichter ausgasen können.
Der Druck komprimiert dabei die Zwischenräume im Material, in denen die Acetate eingebettet sind, was bei Erwärmung dazu führt, dass diese flüchtigen Moleküle schneller entweichen. Gleichzeitig beeinflusst der Druck die physikalischen Eigenschaften der Siloxane, sodass das Material weniger in der Lage ist, mögliche Acetate und andere flüchtige Bestandteile zurückzuhalten. Zudem kann steigendem Druck die Reaktionskinetik und Zersetzungsprozesse der Essigsäureverbindungen in den Siloxanen beschleunigen, was zu einer verstärkten Freisetzung von Gasen führt. Der erhöhte Dampfdruck der Acetate trägt ebenfalls dazu bei, dass bei Kombination von Druck und Temperatur das Ausgasen in einem bestimmten Temperaturfenster besonders ausgeprägt ist.
Generell gilt: Wenn man das Verhalten bei Erwärmung betrachtet, führt eine Temperaturerhöhung, wie bei den meisten Materialien, zu einer thermischen Ausdehnung. Die Schichtdicke nimmt in der Regel zu. Wenn das Material noch nicht vollständig vernetzt ist, kann die Erwärmung diesen Prozess beschleunigen, was zu einer Verdichtung und möglicherweise einer späteren Schrumpfung der Schichtdicke führt. Sobald der Vernetzungsprozess abgeschlossen ist, bleibt die Schichtdicke relativ stabil. Vergleichen wir nun noch abschließend die NT-H2 (blaue Kurve) mit der in dieser Hinsicht schlechten Thermal Hero Quantum (weiß gestrichelte Kurve):
Ganz so schlecht sieht die NT-H2 hier nicht aus, zumindest beim Ausgasen kann man hier in Bezug auf das Verhalten der BLT seinen inneren Frieden schließen. Die weiße Linie der Quantum zeigt, wie sich eine Paste schon in den ersten 7 Zyklen quasi selbst hinrichtet. Die Noctua NT-H2 bleibt da noch relativ stabil, trotz ihrer sehr flüssigen Konsistenz. Das Verhalten ist sicherlich nicht ideal und man merkt der Paste auch ihr Alter deutlich an. Denn wenn man bedenkt, dass Firmen wie Dow Chemical allein viele Jahre und jede Menge Geld nur für die Entwicklung einer besseren Matrix brauchen, dann sind neuere Materialien natürlich deutlich im Vorteil. Die Zeit bleibt ja nicht stehen. Hier sollte sich Noctua vielleicht doch überlegen, den Grad der Befüllung zu erhöhen und dafür die verwendeten Siloxane zu modernisieren, um fluffig zu bleiben und keine knüppelharte Paste zu erhalten, die dann keiner nutzen will. Nur muss das der OEM können und wollen.
27 Antworten
Kommentar
Lade neue Kommentare
Veteran
Urgestein
Urgestein
Urgestein
Urgestein
Urgestein
1
Urgestein
Urgestein
Urgestein
Urgestein
Urgestein
Urgestein
1
Urgestein
Urgestein
Urgestein
Veteran
Urgestein
Alle Kommentare lesen unter igor´sLAB Community →