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Burn-In nachgemessen: Honeywell PTM7950 Phase Transition Material im Labor und woran man einen Nachahmer erkennt

Sogenannte Phasenwechselpads werden aktuell als PCM (Phase Change Materials) oder korrekterweise auch als PTM (Phase Transition Material) vermarktet. Es sind wichtige Komponenten in der Thermomanagementtechnik, die mittlerweile auch im PC-Bereich der Heimanwender angekommen sind und zudem einen gewissen Hype genießen. Diese Materialien verbessern die Wärmeübertragung zwischen elektronischen Bauteilen und Kühlkörpern, indem sie bei bestimmten Temperaturen ihren Aggregatzustand ändern. Grund genug, doch noch einmal genauer hinzusehen, denn die Unterschiede im Detail sind gravierend. Vor allem müssen wir zuächst einmal den Begriff erklären, denn hier gehen sogar Hersteller etwas zu großzüging mit dem Begriff PCM um!

Der Unterschied zwischen Phase Change Material (PCM) und Phase Transition Material (PTM) liegt hauptsächlich in ihrer Verwendung und ihren physikalischen Eigenschaften. Beide Begriffe beziehen sich auf Materialien, die Phasenübergänge durchlaufen, jedoch in unterschiedlichen Kontexten und mit verschiedenen Anwendungszielen. Und ich kann schon einmal spoilern, dass das, was wir neuerdings so gern nutzen, ein PTM und kein PCM ist. Deshalb werde ich zu Beginn erst einmal die Begrifflichkeiten wieder geradestellen und danach den Burn-In-Prozess anhand des Honeywell PTM7950 und die daraus resultierenden Änderungen der Schichtstärke sowie die Veränderungen der Interface-Widerstände bei verschiedenen Temperaturen messen.

Phase Change Material (PCM) oder Phase Transition Material (PTM)?

Phase Change Materials (PCM) sind Materialien, die ihre physikalische Phase (z.B. fest, flüssig, gasförmig) bei einer bestimmten Temperatur ändern können und dabei große Mengen an Wärmeenergie speichern oder freisetzen. Sie werden hauptsächlich zur Temperaturkontrolle und Energiespeicherung verwendet, um z.B. in elektronischen Geräten und Batterien eine Überhitzung zu vermeiden. Während des Phasenübergangs (z.B. von fest zu flüssig) absorbiert oder gibt das PCM eine erhebliche Menge an latenter Wärme ab, ohne dass sich die Temperatur des Materials signifikant ändert. Wer sich noch nichts darunter vorstellen kann, mal was aus der Praxis: Es gibt diese tollen Taschenwärmer, die man im Winder im festen Zustand knicken kann, damit sie dann die vorher beim Erhitzen vom flüssigen in den festen Zustand gespeicherte Energie wieder freigeben. Es ist somit eine Art Latentwärmespeicher. Man liest ab und zu auch fälschlicherweise, dass PCM als Wärmeleitpäd besser wäre, weil es zunächst die Wärme speichern und für den Phasenübergang nutzen kann, was aber komplett falsch ist.

Phase Transition Materials (PTM) sind hingegen Materialien, die Phasenübergänge zwischen verschiedenen strukturellen oder elektronischen Zuständen durchlaufen. Der Phasenübergang in PTMs führt zu einer Veränderung der physikalischen oder chemischen Struktur des Materials, was seine Eigenschaften zielgerichtet beeinflusst. Genau das ist es aber, was wir eigentlich als Wärmeleitpad brauchen! Beim PCM finden wir den klassischen Phasenübergang zwischen klassischen Aggregatzuständen (fest, flüssig), bei den PTM den Phasenübergang zwischen verschiedenen strukturellen Zuständen. Oder, um es mal auf den Punkt zu bringen: Das PCM dient der Absorption oder Freisetzung von latenter Wärme, das PTM nutzt die Änderung der physikalischen Eigenschaften ohne signifikante Wärmeaspekte.

Ergo muss ich mich auch selbst im (luschigen) Sprachgebrauch etwas korrigieren, denn das, was wir bei der Kühlung einsetzen, sind in Wahrheit nämlich reine Phase Transition Materials, also PTM und keine PCM! Und nun kommen wir zum Problem für uns Deutsche, nämlich der Übersetzung. Beide Begriffe stehen übersetzt für Phasenübergangsmaterial, woraus sich der landläufige Begriff Phasenwechsel-Material ergeben hat, was dann wiederum in Phasenwechsel-Pad mündet. Und nun? Um nicht noch mehr Verwirrung zu stiften, werden ich für die Allgemeinbeschreibung weiterhin Phasenwechselpad nutzten, anstelle von PCM jedoch PTM als Abkürzung verwenden, solange es kein Bestandteil einer (eigentlich falschen) Produktbezeichnung ist. Man sieht aber auch, dass sogar Hersteller das Ganze vermengen und ein Problem mit den zwei Begriffen haben.

Grundlegendes zum Burn-In

Es handelt sich bei den PTM um thermische Interface-Materialien, die bei einer definierten Temperatur weich werden oder schmelzen. Diese Eigenschaft ermöglicht es ihnen, mikroskopische Unebenheiten auf den Oberflächen von Bauteilen und Kühlkörpern zu füllen, was die thermische Kontaktresistenz minimiert und die Wärmeübertragung maximiert. Typische PTM bestehen aus einer polymeren Matrix mit thermisch leitfähigen Füllstoffen und zeigen thermische Leitfähigkeiten von 1 bis 8 W/mK​, je nach Dicke und Ausführung.

Der “geheimnisvolle” Burn-In-Prozess beim PTM beinhaltet das wiederholte Erwärmen und Abkühlen des Materials, um eine optimale thermische Verbindung zu erzielen. Während des Burn-In erreicht das Pad seine Phasenwechseltemperatur, wodurch es die Oberflächen benetzt und eine minimale Bondline Thickness (BLT) erreicht. Dieser Prozess wird oft durch eine kontrollierte Temperaturbelastung über mehrere Stunden oder Tage durchgeführt, um die langfristige Zuverlässigkeit und Leistung des Materials zu gewährleisten​. Genau diesen Punkt habe ich insgesamt 10 Mal wiederholt, bis es zu einem durchweg (fast) konstanten Temperaturverhalten kam und der Wärmewiderstand für identische Temperaturen annährend gleich blieb.

Änderung der Interface-Widerstände

Ein wesentlicher Aspekt des Burn-In-Prozesses ist die Veränderung der thermischen Interface-Widerstände. Zu Beginn des Burn-In (also noch vor dem ersten Phasenwechsel) sind die Widerstände typischerweise deutlich höher, da das PTM noch nicht (vollständig) geschmolzen und benetzt ist. Im Verlauf des Burn-In-Prozesses sinken die Interface-Widerstände signifikant, da das Material die mikroskopischen Lücken und Unebenheiten der Kontaktflächen füllt und somit die thermische Barriere verringert. 

Genau aus diesem Grund habe ich auch beim Einzeltest des Honeywell PTM7950 darauf hingewiesen, dass ein Burn-In für die optimale Performance unerlässlich ist. Ja, dieses Pad wird auf Grund der enthaltenen Partikel auch ohne (vollständigen) Burn-In sicher besser funktionieren als einfachere, günstigere Wärmeleitpasten, aber an die Werte einer guten Paste wird man so nicht herankommen. Ich habe für diesen Test diesmal fast 2 Tage investiert und muss mich in Bezug des nur teilweisen Phasenwechsels beim PTM7950 leicht korrigieren. Dazu habe ich noch einen gesonderten Absatz. Das PTM7950 ist in Bezug auf den Phasenwechsel eine Art Evolution mit leicht anderen Eigenschaften. Diese wiederum werden uns helfen, das Original von nicht identischen Nachahmern unterscheiden zu können, selbst wenn die Farbe stimmt. Man lernt immer dazu, auch über die Stromrechnung für solche Tests.

Nach dem Burn-In-Prozess bieten PTM eine verbesserte thermische Leistung und Zuverlässigkeit. Die Materialien bleiben fest an Ort und Stelle, ohne dass es zu einem Pump-Out-Effekt kommt, bei dem das Material aus der Schnittstelle herausgedrückt wird. Dies ist besonders wichtig für Anwendungen mit konstantem Druck, wie sie in vielen elektronischen Geräten vorkommen​. Das sehen wir aber gleich noch.

Weiterführende Links und Grundlagen

 

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Saschman73

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521 Kommentare 319 Likes

Danke für den Test! (y)
Jetzt fehlt nur noch die Bezugsquelle wo man auch ganz bestimmt das PTM7950 bekommt und kein KuckkucksPad.

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C
Charger93

Neuling

3 Kommentare 4 Likes

Wenn das PTM vom Thermal Grizzly das echte 7950er ist oder eines das genau so gut funktioniert, dann wäre das schon sehr angenehm.
Aber vielleicht weiß Igor da schon etwas?

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Saschman73

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521 Kommentare 319 Likes
R
RazielNoir

Veteran

462 Kommentare 223 Likes

Also wenn man ein (CPU-Seitiges) Mittelklassesystem mit einem guten Luftkühler kombiniert, ist mit PTM quasi nach erfolgreichem Burnin ein No-Brainer. Regelmäßig Staub entfernen und gut ist.

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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