Kühlung Testberichte Wärmeleitpaste und Pads

Industrie-Wärmeleitpaste auf Abwegen: Parker THERM-A-GAP GEL 60HF im Test und was passieren könnte, wenn man die Hintergründe nicht kennt

Beginnen wir, wie wir es bereits in den Grundlagenartikeln zu meinem Messungen gelesen habe, mit dem effektiven thermischen Widerstand und betrachten in diesem Zusammenhang auch schon einmal die mögliche Schichtdicke (BLT, Bondline Thickness). Denn genau da wird es gleich interessant. Die wichtigste Eigenschaft von Rth ist, dass dieser schön linear mit der Schichtdicke korreliert, während die Wärmeleitfähigkeit eine ganz andere Kurve beschreibt und alles andere als linear bleibt. Aber der geübte Leser weiß das natürlich alles bereits.

Minimal mögliche Schichtdicke

Normalerweise messe ich ja bis hinab zu einer BLT von 25 µm und mache dann erst die letzte Quetschung, aber bereits der Auftrag der Paste ließ da diesmal gewisse Zweifel aufkommen. Genau deshalb wollte ich als Erstes wissen, wie weit man mit normalem Druck und wie sehr sich die Paste noch zusammenpressen lässt, ohne irgendetwas zu zerstören. Ich nutze normalerweise die üblichen 60 Psi (41 N) auf der Messfläche von 1 cm², was völlig ausreicht und mehr ist als das, was z.B. ein GPU-Kühler erreicht.

Am Ende wollte ich noch wissen, wie weit man mit etwas Druck gehen kann und wie sehr sich eine Paste noch zusammenpressen lässt. Ich verwende die gemessenen 135 µm bei akzeptablem Druck und sehe, dass das Datenblatt auf den µm korrekt ist. Aber um die THERM-A-GAP GEL 60HF dann noch leicht unter die im Datenblatt angegebenen Mindeststärke zu bringen, waren dann im zweiten Durchlauf, nachdem ich alle normalen BLT gemessen hatte, sogar 300 N auf 100 mm² nötig, was geradezu irrsinnig ist und dann leider auch Folgen hatte. Aber dazu später mehr. 

Die effektiven Wärmewiderstände Rth, eff

Jetzt vergleichen wir die Parker THERM-A-GAP GEL 60HF mit der DOWSIL TC-5888 und DOWSIL TC-5550 und betrachten nur den effektiven Wärmewiderstand. Natürlich sehen wir auch hier, wie sich die Paste unter Druck und bei den technisch überhaupt möglichen BLT verhält. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass der effektive Wärmewiderstand erst oberhalb einer BLT von rund 215 µm besser wird als die Werte der beiden DOWSIL-Pasten. Die 125 µm waren nicht mehr möglich.

Ich habe nun noch einmal die relevanten Schichtstärken von 150 bis 400 µm als Balkendiagramm für Rth im Vergleich. Und warum messe und vergleiche ich nicht bis runter zu 25 µm? Die Erklärung ist einfach, denn es geht ja nicht, denn die Paste hat mit den ganzen Abstufungen unterhalb von 150 µm BLZ ein Problem!

Interface Resistance

Was auch noch interessant scheint, ist der Kontaktwiderstand, also in unserem Fall der Interface-Widerstand. Hier sieht man nämlich, wie gut sich die Oberfläche des Materials an die Kontaktflächen (IHS, Heatsink) “anschmiegt”. Auch diese Werte sind gut vergleichbar und aussagefähig,  da es immer dieselben, kalibrierten Referenzblöcke sind. Gröbere Mahlgrade bzw. eine ungünstigere Mikrostruktur können genauso ein negativer Faktor sein, der dann den effektiven Wärmewiderstand und damit auch die Leitfähigkeit beeinflusst, wie zu niedrige Temperaturen und eine zu hohe Viskosität. Wie man diesen Wert ermittelt, habe ich ja in den verlinkten Grandlagen bereits sehr ausführlich erklärt, das spare ich mir an dieser Stelle. Aber es ist der Wert, der bei sehr geringen BLT einen großen Einfluss nehmen kann, weshalb der Bulk-Widerstand eher etwas für die Galerie ist.

 

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eastcoast_pete

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Sehr wichtiger Punkt bzw Warnung! Klar, bei einer 5G Basisstation die in der Tat bei Wind und Wetter draußen steht, durch Sturmböen durchgeschüttelt wird und dann im Wartungsfall ja eher komplett ausgetauscht wird ist so eine Superkleber-Paste auch recht am Platze. Aber auch nur dort. Mir wird's ja schon beim Auswechseln von einigermaßen eingetrockneter Paste auf zB Notebook CPUs etwas mulmig, die Parker würde da wahrscheinlich gleich das halbe Board mit abreißen beim Versuch, den Kühler von der CPU zu trennen.

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Igor Wallossek

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Du kannst damit aber perfekt Kühlkörper auf dem RAM ankleben, siehe Morpheus. :D

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Beschi

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Moin,
@Igor Wallossek mit "Politiker*innen*außen" hast du meinen Morgen gerettet ;)
Interessanter Artikel, danke dafür! Erlebe selbst immer wieder wie Personen über Produkte schimpfen, aber nicht wissen wofür diese eigentlich entwickelt wurden und dementsprechend falsch einsetzen.
Gruß Beschi

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IXI_HADES_IXI

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Kannte ich bis jetzt noch gar nicht. Gut ich gucke bei Paste, Pads oder ähnlich sowieso nur im PC Bereich.

Mir hat es bei normaler Paste schon mal die CPU aus dem Sockel gerissen weil ich zu fest gezogen und gedreht hatte.

Mit der Paste hätte ich die CPU wahrscheinlich auch gleich noch geköpft.

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echolot

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@Igor Wallossek Hast Du Bilder von der Zerstörung oder gibt es dazu einen separaten Artikel? Hättest mal 24h warten sollen wie bei Corega Haftcreme.

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Igor Wallossek

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Ich schreibe gerade einen viel interessanteren Artikel. :)

Noctua NT-H2 aus 2023 vs. Paste aus 2024. Ist halt scheiße, wenn man zu geizig für ein eigenes QM ist. Die Paste aus 2023 war schon nicht so prall, aber die aus 2024 ist echte Billig-Suppe. Ich finde es mal wieder bezeichnend, wenn man in Qualitätsforen angegangen wird, weil man irgendwems Fetisch zerstört und angeblich zu dumm zum messen sei, in Wirklichkeit sich der Premiumhersteller entweder vom OEM rollen lässt, oder aktiv an den Kosten mitoptimiert. Ich schwanke noch, ob ich die vorher infoirmieren soll, denn es geht ja doch immer gleich aus... :(

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echolot

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Alle müssen zur Zeit rechnen 🤷‍♂️

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ssj3rd

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Whoa, dass ist ja schon fast Kernschrott, Finger weg!

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DigitalBlizzard

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Noctua kann ja unsere Paste beilegen, dann sind sie alle Sorgen los, zumindest die Pastensorgen. Wir beliefern ja auch gerne OEM, da können sie dann ihr NT-H3 powered by X-Apply draufkleben, dann ist alles gut.
Ich verstehe Hersteller nicht, die die Leistung ihrer eigenen teuren Hardware mit miesen Pampen versauen, total widersinnig.
Mit der NT-H2 im Test den eigenen Kühler schlechter machen ist doch Unsinn
Das Zeug hat theoretisch auch in der IT seine Berechtigung, da wo man Passivkühlkörper wie z.B. auf der VRM des Mainboards anbringen will, sorgt auch direkt für Haftung und allemal besser als Klebepads in der thermischen Leistung. Oder in NTs Kühlkörper repasten etc.
Im prinzip überall da, wo man eben große Spalten hat 0,15mm aufwärts, theoretisch sogar auf dem Grafikram, aber dann bekommst den Kühler nie wieder runter, aber dafür hält es ja ewig :p

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DigitalBlizzard

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3,144 Kommentare 2,074 Likes

Nee, ist es nicht, man muss nur schauen für welche Anwendung, wie hier erwähnt. Die thermische Leistung und Haltbarkeit sind super, aber Du brauchst schon mindestens 150µm die Du füllen willst und den festen willen es nie wieder abzunehmen ;)

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L
LGTT

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Ich freue mich schon auf den Notua Artikel auf meiner CPU ist ein Kühler der Firma montiert. Da gab es aber noch NT-HT1 dazu. Beim neu auftragen der Paste letztes Jahr (Ich musste einen Gehäuselüfter wechseln und bin nicht an den Mainboard PIN gekommen) Ist dann Arctic MX 4 draufgekommen weil ich die noch da hatte. Ich merke jetzt keinen Unterschied hab allerdings auch keine stabile Messumgebung, für mich als Enduser ist vom Verhalten her das annährend gleich. Zumindest hatte ich alles wieder auseinander bekommen was bei diesem Parker Gel vermutlich nicht der Fall gewesen wäre.

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Igor Wallossek

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Dafür gibt es ja Kettensägen :D

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_roman_

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Die Frage ist, wie viele Messungen gibt es. Ich würde mir 3x dasselbe Produkt holen von 3 verschiedenen Versandhäuse.

ESD Ausrüstung wurde hoffentlich verwendet(und regelmässig überprüft vor der Verwendung). Eine nicht leitfähige Wärmeleitpaste auch oder? Ansonsten erwarte ich mir, dass gebrauchte Hardware nicht am Gebrauchtmarkt verkauft wird und dies verschwiegen wird.

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Rooter

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Für den Einsatzzweck gibt es auch von Dow Chemical eine Paste: https://videos.dow.com/view/M32133

Ist aber wohl nicht ganz so extrem, die minimale bondline wird mit 40 μm angegeben. Aber natürlich deutlich viskoser als deren Consumer Pasten und nicht Thixotrop eingestellt.

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L
LGTT

Mitglied

30 Kommentare 14 Likes

ich versteh deinen Text ehrlicherweise nicht. Der Noctua Doppelturm war einfach über dem 4 PIN Lüfter. Da die Demotage des Kühlers bei Noctua sehr einfach ist hab ich kurzerhand den Kühlkörper ausgebaut den 120mm des Gehäuses gegen einen ohne rattern ausgetauscht auf den Lüfteranschluss wieder gesteckt und den Kühler mit neuer Wärmeleitpaste wieder montiert. Der defekte Lüfter ist im Elektroschrott gelandet. Weder die NT HT1 noch MX4 sind elektrisch leitend und selbst wenn ich Flüssigmetall verwendet hätte, wäre es immer noch meine Sache solange es fachgerecht erfolgt. Ich nutze den Rechner ja selbst noch da sollte er schon einwandfrei funktionieren.

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Igor Wallossek

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View image at the forums

Wobei über 17% Abweichung durch keine Fertigungstoleranz der Welt gedeckt sind. Da reicht auch eine miese Paste, um das komplette QM und die gesamte Charge in Frage zu stellen, denn es werden ja nicht nur zehn oder hundert, sondern gleich Tausende Tuben abgefüllt, die dann alle gleich sind. Aber ich kann dich beruhigen, alle 2024er Tuben war gleich mies, egal welche Packungsgröße

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eastcoast_pete

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Genau das! Qualitätskontrolle hört ja nicht bei der Herstellung der Paste im Großmaßstab (viele kg bis Tonnen) auf, sondern muß auch die konsistente Qualität und Uniformität der individuellen Abfüllungen testen. Wenn sich zB eine Paste beim Lagern nach einigen Monaten separiert, wird das auch auf der CPU oder GPU passieren, und zeigt, daß die QC entweder versagt hat oder nie stattfand.

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Igor Wallossek

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10,840 Kommentare 20,534 Likes

Ich denke mal, Letzteres. Hätte man ein eigenes QM, dann hätte man nicht erst um einige Tage Aufschub bitten müssen, um erst einmal beim Hersteller in China "nachzufragen". Dann hätte man nämlich eigene Rückstellproben jeder Batch und Packungsgröße im Kühlschrank und auch valide Messdaten, um sie mit mir abzugleichen. Das sind keine 30 Minuten für eine mittelschnelle Bürofachkraft, die sich auf dem Weg in die Asservatenkammer auch gern noch vorher einen Kaffee holen kann.

Hier verlässt man sich aber nur auf dem OEM oder schlimmer: Man liefert sich ihm komplett aus! Das ist wie Essen auf Rädern und eigentlich auch eine Art Bankrotterklärung.

Ich weiß, was geändert wurde. Entweder Cost-Down oder anderer OEM. Aber ich warte noch auf die Rückmeldung :)

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echolot

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1,177 Kommentare 919 Likes

Puh, dann hatte ich wohl Glück. Hatte noch alte Plörre drauf. Mit der lief alles passabel.

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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