Gleich zwei Aufreger gab es im Grafikkarten-Bereich in diesem Jahr: Anfang des Jahres brachte Nvidia die 6-GB-Version der Geforce RTX 3050 auf den Markt. Die Karten waren aber nicht nur im Speicherausbau, sondern in der gesamten Architektur beschnitten worden – rund 20-30% Spieleperformance fehlten am Ende zu den 8-GB-Varianten. Im August ging es mit der Geforce RTX 4070 weiter, die nun auch mit GDDR6- anstatt GDDR6X-Speicher angeboten wird. Zwar fällt der Geschwindigkeitsunterschied nur marginal aus, die Unterschiede zwischen beiden Varianten sind dennoch nicht auf dem ersten Blick ersichtlich.
Eigentlich können wir uns heutzutage noch glücklich schätzen, denn vor rund 20 Jahren wurde bei den Grafikkarten noch deutlich häufiger gepfuscht, gemogelt und gelogen. Für den Artikel habe ich zwei besonders dreiste Versuche versammelt, vor denen nicht einmal die Käuferschaft von High-End-Grafikkarten verschont geblieben ist.
Den Anfang macht die Radeon 9800 Pro vom AMD-Vorgänger ATI, die zum Release im ersten Halbjahr 2003 für etwas mehr als 400 Euro den Besitzer wechselte, zum damaligen Zeitpunkt der Konkurrenz von Nvidia das Fürchten lehrte und als Ikone in die Hardware-Geschichte eingegangen ist. Auf Seiten Nvidias kommt die Geforce 6800 zum Einsatz, die etwa ein Jahr nach der Radeon 9800-Serie auf den Markt kam und im Gegensatz zur mäßigen Vorgängergeneration Geforce FX insgesamt überzeugen konnte. Mit rund 300 Euro Startpreis stellte die Geforce 6800 den Einstieg in die Oberklasse dar, denn die Spitzenmodelle 6800 GT und 6800 Ultra waren mit voll freigeschaltetem NV40-Grafikchip und GDDR3-Grafikspeicher noch darüber positioniert.
Direkt miteinander vergleichbar sind beide Karten übrigens nicht, da die Geforce 6800 gegen die X800-Serie von ATI antrat, welche wiederum die nachfolgende Generation der Radeon 9000-Serie darstellt. Dies macht sich unter anderem mit dem moderneren Featureset der Geforce 6800 bemerkbar, die bereits DirectX 9.0c mit Shader Model 3 unterstützt, während die Radeon 9800 noch mit dem Shader Model 2.0 auskommen muss. Zusätzlich war die Geforce 6-Serie bereits für den damals neu eingeführten PCI-Express-Slot verfügbar, während die Radeon-9000-Serie nur für den AGP-Slot erhältlich war.
Originale vs. Mogelpackungen
Radeon 9800 Pro “Mogelpackung” | Radeon 9800 Pro “Original” | Geforce 6800 “Mogelpackung” | Geforce 6800 “Original” | |
GPU | R350 | R350 | NV40 | NV40 |
Pixel-/Vertexshader | 8 / 4 | 8 / 4 | 8 / 3 | 12 / 5 |
TMU / ROP | 8 / 8 | 8 / 8 | 12 / 12 | 12 / 12 |
Grafikspeicher | 256MB DDR | 128MB DDR | 512MB DDR2 | 128MB DDR |
Interface | 128 bit | 256 bit | 128 bit | 256 bit |
Taktrate Chip | 378 MHz | 378 MHz | 325 MHz | 325 MHz |
Taktrate Speicher (Bandbreite) | 250 MHz (8,0GB/s) | 338 MHz (21,6GB/s) | 300 MHz (9,6GB/s) | 350 MHz (22,4GB/s) |
Kurios: Während eine ausreichende Menge an Grafikspeicher bei heutigen Grafikkarten-Generation eher Mangelware zu sein scheint, ist davon auf den Mogelpackungen mehr als genügend vorhanden – bei der Geforce 6800 sogar gleich in der vierfachen Menge im Vergleich zum Original. An den entscheidenden Stellen wurde hingegen gespart, denn ein halbiertes Speicherinterface oder reduzierte Taktraten haben einen enormen Einfluss auf die Spiele-Performance. Bei der Geforce-Mogelpackung wurde sogar der Grafikchip um weitere Pixel- und Vertexshader beschnitten.
Die Taktik der Mogelpackungen ist deutlich zu sehen: Mit einer großen Speichermenge sollte vor 20 Jahren die unerfahrene Käuferschaft geködert werden, schließlich war der Irrglaube “mehr Speicher = schnellere Grafikkarte” noch weit verbreitet. Von beschnittenen Speicherbandbreiten oder reduzierten Taktraten werden viele der Käufer wohl nie etwas bemerkt haben. Das blaue PCB der Geforce 6800 Mogelpackung stellt übrigens die ultimative Resteverwertung dar und wurde in der Kalenderwoche 46 des Jahres 2008 gefertigt (roter Pfeil) – über vier Jahre nach Erscheinen des Grafikchips. Zu diesem Zeitpunkt war bereits die Geforce GTX 280 erhältlich. Gut zu sehen sind übrigens auch die freien Flächen des Grafikspeichers, die das halbierte Interface erklären.
Freie Flächen sind auf der Radeon-Mogelpackung nicht zu erkennen, insgesamt ist das von Etonda gefertigte Modell aus optischer Sicht recht nahe am Referenzdesign gehalten. Im Detail ist aber auch hier das halbierte Interface zu sehen, denn der Grafikspeicher ist in einer geraden Linie auf dem PCB verbaut und nicht wie beim Original in “L”-Bauform.
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