Das Flip-Design steigert die potentiellen Probleme
So, jetzt kommen wir noch einmal zum Flip-Header zurück, wie er bei fast allen Asus-Karten genutzt wird. Während Firmen wie Astron, Lotes, Amphenol, HYM, LST und viele andere zumindest die originale Version des 90° Headers produzieren, hat sich Asus analog zum Flip-Header im Mini-Fit-Format einen eigenen Header “maßschneidern” lassen, der dann wiederum als sogenannter Flip-Header verbaut wird. Wir erinnern uns: hier werden die 12-Volt-Zuleitungen durch die Drehung des Steckers nach außen gelegt und somit deutlicher verlängert, als es durch die vier Seitenbandkanäle beim Original erfolgte.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass dieser proprietäre Stecker, der auch nicht durch die PCI SIG abgesichert ist, von TKG stammt. Betrachtet man dann noch die Herstellungsqualität, dann kann einem vereinzelt wirklich schlecht werden. Denn das Design bringt als solches schon erneut elektrische, thermische und auch mechanische Probleme mit sich. Dass sich solche lang angebundenen Profildrähte schneller verbiegen, verdrehen oder sogar durch das Housing nach hinten verschieben lassen, hatte ich ja unlängst in einer sehr aufwändigen Messreihe schon ausführlich beleuchtet. Das will ich gar nicht noch einmal alles wiederholen, da muss der Link reichen:
Statistisch gesehen, tragen aktuell auch die Asus-Karten überproportional zu der Schadensstatistik bei, die weltweit wohl an die Tausend Stück defekter Header pro Monat betreffen könnte. Und wenn man die anderen Boardpartner fragt, warum sie keine Flip-Header nutzen, reicht die Antwort-Bandbreite von einem sehr vielsagenden Schweigen mit hochgezogenen Mundwinkeln bis hin zu einem sehr meinungsstarken “Wir sind doch nicht wahnsinnig”. Es wurde auch kolportiert, dass sich Asus bzw. TKG die Exklusivrechte an diesem Design gesichert hätten, allerdings stellt sich wirklich die Frage, wer schon freiwillig auch auf diesen heißen Zug aufspringen möchte. Bisher ist es jedenfalls keiner.
Zusätzliche Temperaturprobleme durch Aufheizung von der Platine
Vor allem die Asus-Karten mit um 180° gedrehtem Stecker, wo die 12-Volt-Pins direkt im Einzugsbereich der Shunts (bis zu 100 °C) und der heißen Tracks von den VRM und den Spulen liegen, sollten hier beim Layout wirklich anders gestaltet werden. Die viel zu enge Positionierung der Baugruppen heizt die Kontakte und damit auch die außen liegenden 12V-Pins völlig unnötig auf. Deshalb habe ich ja auch den Pad mit hinter dieser Baugruppe getestet, was die Temperaturen im Header signifikant senken kann. Wir müssen uns das noch einmal vor Augen halten: Der Stecker ist bis zu 105 °C bei Dauerlast spezifiziert. Ist die Temperatur der Platine in der Nähe der Pins zu hoch, dann werden diese “vorgeheizt” und das Temperaturfenster verringert sich dramatisch. Mit einem Delta von 20 Grad und oft noch viel weniger muss das eigentlich irgendwann kaputt gehen.
Man könnte sich etwas behelfen, indem man die Platinenrückseite unterhalb der Shunts und Längsspulen mit guten Wärmeleitpads thermisch an die Backplate anbindet, um wenigstens eine passive Kühlung zu gewährlisten. Da reicht schon eine Verringerung um 5 Grad, um eine thermische “Durchzündung” der Kontakte zu vermeiden. Es ist aber auch nur ein Baustein von vielen und es bedarf schon dem Aufeinandertreffen mehrerer Faktoren, um wirklich einen Totalausfall zu erreichen.
Viele Wege führen nach Rom – oder zu einem verschmorten Header
Den heute Artikel sehe ich als logische Ergänzung zu den bisher bereits veröffentlichten Artikeln, versehen mit einigen weiteren, exklusiven Einblicken, Informationen und Zeichnungen. Er fasst den Werdegang dieses Steckverbinders noch einmal chronologisch zusammen und kumuliert auch die bereits bekannten Fehlerquellen. Und nein, es ist erneut kein Sensationsbericht, wohl aber auch etwas subjektiv vorbelastet, weil ich diese Steckverbindung für die angestrebte Dauerlast als zu fragil empfinde.
Und es gibt garantiert nicht DEN einzigen Grund, warum es manchmal (aber eben nicht immer) zu Ausfällen kommt. Die PCI SIG hat mit den Angaben der CEM 5.1 bereits einen großen Schritt in die richtige Richtung gemacht, jedoch immer noch viele Punkte offengelassen. Während man den richtigen Sitz über die geänderten Pins nunmehr kontrollieren und sicherstellen kann, die Cable Plugs und die Kabel samt Biegeradien und Querschnitten genauer spezifiziert wurden, sind die Header immer noch ein möglicher Grund für Totalausfälle, denn die Pins und die dafür eingesetzten Drähte müssen noch besser normiert und auch später beim Hersteller kontrolliert werden. Dazu kommen die generellen Probleme im Pin-Design und mit den sogenannten Flip-Headern.
Das betrifft sowohl das Grunddesign des Headers, das Material, also die zweckmäßige Legierung statt reinen Kupfers, als auch die Definition der Schichtdicken der Galvanisierung, die Verarbeitung der Drahtstücke (Kürzung, Biegung) sowie deren Positionierung (Einpressen) im Gehäuse. Außerdem vermisse ich bei den Federkontakten eine strikte Vorgabe für die Mindest-Klemmfläche und den Federdruck. Das alles sind wichtige Faktoren, die primär für die richtige Verbindung wichtig sind und die man nicht dem Zufall oder den einzelnen Herstellern überlassen darf (was aufs selbe rauskommt).
Fehlerursache | Folge bzw. Lösung | Verursacher |
Ungenügendes Einsetzen der Cable Plugs | Gelöst über Pin-Längen (Sense-Pins, Strom-Pins), 12V-2×6 statt 12VHPWR | Anwender |
Ungenügende Arretierung der Cable Plugs | Gelöst über die Spezifikation | Anwender |
Generelles Steckerdesign |
Seitenband-Pins schieben die 12V-Pins nach oben | Astron |
Flip-Header |
Unnütz verlängerte 12V-Profildrähte, zu nah an den Hotspots | Asus (TKG) |
Schiefes Einsetzen der Cable Plugs | Kann die Header-Pins verbiegen (vor allem die äußeren) | Anwender |
Abziehen der Cable Plugs (Querbewegung beim Lösen) | Kann die Header-Pins verbiegen (vor allem die äußeren) | Anwender |
Zu starkes Abknicken der Kabel | Kann die Header-Pins verbiegen (alle) | Anwender |
Zu schmale Pins im Header | Ungenügende Klemmfläche | Hersteller |
Verdrehte Pins im Header | Ungenügende Klemmfläche | Hersteller |
Positionstoleranz der Pins | Weniger Klemmfläche, Kontaktprobleme | Hersteller |
Vierkantdraht der Pins abgerundet | Weniger Klemmfläche, Kontaktprobleme | Hersteller |
Kupfer-Pins | Nichtbefolgen der PCI SIG Vorgaben | Hersteller |
Zu hohe Vortemperaturen der Pins am PCB | Geringeres Temperaturfenster bis 105 °C | AIC |
Invers-Header | 12V-Pins zu nah an den Hotspots des PCB | AIC |
Fazit
Dieser Steckverbinder, egal ob nun 12VHPWR oder neuerdings 12V-2×6, ist und bleibt eine recht fragile Sache, auch wenn man die möglichen Defekte mit Vorsorge und Nacharbeit an der Normierung reduzieren konnte. Denn einen Faktor wird man immer inkludieren müssen: Qualitätsmängel bei den Herstellern der Steckverbinder. Dazu kommen negative Einflüsse durchs Platinenlayout der Grafikkarten, wo die Pins oft schon durch die Platine unnötig aufgewärmt werden. Hier sind die Grafikkartenhersteller in der Pflicht, den Abstand der Pins zu den Hotspots auf der Platine zu vergrößern oder zu kühlen.
Mein Dank geht erneut explizit an KrisFix, der mich mit vielen defekten Steckverbindern versorgt hat, sowie an die Benutzer, die mir ihre Karten zur Untersuchung eingeschickt haben. Darüber hinaus hat CableMod einen nicht unerheblichen Anteil zum Erkenntnisgewinn beigetragen, denn die unzähligen Testmuster, die ich hier untersuchen konnte, haben mich ebenfalls zum Ergebnis geführt.
Und ich schrieb es bereits an anderer Stelle: Ich bin mit diesem Steckverbinder eigentlich durch, denn man wird kaum noch etwas anderes untersuchen oder optimieren können. Und ich gebe es ehrlich zu: Ich mag das Teil immer noch nicht so recht, weil es einfach viel zu nah an den physikalischen Grenzen agiert und sich damit extrem anfällig gegen mögliche Einflüsse macht, mögen diese auch noch so geringfügig erscheinen. Es ist und bleibt eine Gratwanderung, hart an der Grenze des physikalisch Vertretbaren und ohne echte Reserven. Wenn dann auch noch die Qualitätskontrolle in Teilen versagt, dann war es das nämlich für die Steckverbindung. So etwas baut man einfach nicht. Zumindest nicht so.
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