Hallo zusammen,
schöne Arbeit, aber die Messung des "Druckverlustes" durch Vergleich von Bypass und Testobjekt ist nichtssagend und wenig hilfreich. Den Druckverlustbeiwert kennen wir damit noch immer nicht, womit uns das nicht im Geringsten bei der Auslegung einer Wasserkühlung hilft. Was wir bräuchten, ist der tatsächliche Druckverlust über die getestete Komponente bei gegebenem Massenstrom.
Da braucht es wohl noch ein paar Grundlagen der Strömungslehre. ;-)
Zunächst einmal, um allen, die das hier mitlesen und ein grundlegendes Verständnis für Elektronik haben, ein wichtiger hinweis zu Beginn, der das Verständnis sehr vereinfacht: egal um welchen Strom es sich handelt, die grundlegenden Regeln sind immer gleich (wie z.B. die Maschenregel, Parallel- und Seriell-Schaltung etc.). Kann ich einen elektrischen Schaltplan lesen und weiß, was Widerstand, Spannung und Strom sind, so kann ich auch Fluid- und Wärmeströme verstehen. Die physikalischen Größen unterscheiden sich natürlich:
- Das treibende Potential ist bei elektrischen Strömen die Spannungsdifferenz, bei Wärmeströmen die Temperaturdifferenz und bei Fluidströmungen die Druckdifferenz.
- Der elektrische Widerstand entspricht dem thermischen Widerstand und dem Strömungswiderstand entsprechender Bauteile.
- Der Strom oder die Strömung bezeichnet jeweils das Ausmaß des Potenzialausgleichs durch einen Ladungstransport. Im Falle des elektrischen Stroms werden elektrische Ladung transportiert, bei Wärmeströmungen ist es Wärme und bei Fluidstömungen das entsprechende Fluid, z.B. Wasser.
Die Analogie ist sehr weitgehend und für die meisten Komponenten finden sich entsprechende Analoga. Während dies bei den Quellen noch trivial ist*, wird die Analogie bei manchen Bauteilen erst auf den zweiten Blick klar. ** Es gibt allerdings nicht für jedes Bauteil und jedes Phänomen eine Entsprechung.
Für die Auslegung eines Wasserkühlkreislaufs brauchen wir wie üblich zwei Größen, um die dritte bestimmen zu können. Den Kühlkomponenten eigen sind ihre Widerstände, diese können wir nicht beeinflussen. Bei Rohrströmungen sprechen wir hier übrigens von Widerstandsbeiwerten. Die beiden anderen Größen bedingen sich also. Bei einem vorgegebenen Strom durch die Komponente, stellt sich also eine bestimmte Druckdifferenz über das Bauteil ein. Der Druck in der Leitung ist folglich in Strömungsrichtung hinter dem Bauteil um einen messbaren Betrag geringer als davor. Auch andersherum funktioniert dies: haben wir einen gewissen Druck, mit dem wir das Fluid durch den Widerstand strömen lassen, ergibt sich der Strom in direkter folge. Es macht daher Sinn, die Widerstandsbeiwerte der Komponenten zu bestimmen, um anhand dessen dann den Kühlkreislauf auslegen zu können.
In der Folge können wir dann zum Beispiel einen Wunsch-Massenstrom vorgeben (z.B. 180l/min) und mit den verbauten Komponenten den Druckverlust (Differenzdruck) über den gesamten Kühlkreislauf ausrechnen. Vergleichen wir dies dann mit dem Datenblatt / der Leistungskurve der Pumpe, wissen wir ob diese den gewünschten Massenstrom wird antreiben können und unter welchen Bedingungen, oder wob wir eine andere Pumpe benötigen.
Wir können aber zum Beispiel auch die Kühlkomponenten vorgeben und aus den Daten der Pumpe direkt bestimmen, wie groß der Massenstrom im Kreislauf sein wird.
In letzter Konsequenz können wir den Kühlkreislauf auch problemlos thermisch berechnen bzw. vorab auslegen. Sind die Daten verfügbar, braucht es wenige Minuten und man weiß, welche Temperaturen erwartet werden können. Das aktuelle Problem dabei ist: die Daten sind nicht verfügbar. Zu der einen oder anderen Kühlkomponente findet man doch mal den thermischen Widerstand, das ist aber leider die Ausnahme. Dazu sind diese oftmals nicht ohne weiteres vom Hersteller anzugeben***.
Was brauchen wir um unsere Kühlsysteme auslegen zu können? Nur zwei Sachen: gemessene Beiwerte und das Verständnis der physikalischen Gesetzmäßigkeiten. Am ersteren ist Igor bereits dran, für zweiteres wird er für uns sicher ein kleines Skript auf der Homepage zusammen klicken, das das meiste automatisch für uns macht. Ist ne Sache von einem halben Tag. ;-)
Was Igor messen müsste:
- Pumpenkennlinien: von der Pumpe erbrachte Druckdifferenz bei gegebenem Massenstrom. Also welchen Druck schafft die Pumpe bei welcher Fördermenge. Gegebenenfalls abhängig von Pumpendrehzahl/Versorgungsspannung. Der Testaufbau dafür ist extrem simpel. Die Pumpe wird über ein Rohrstück (zwecks Messung des Volumenstroms) und eine Drossel kurzgeschlossen. Letztere kann ein Kugelhahn sein, aber auch ein einfacher Flexschlauch mit einer einstellbaren Klammer. Dazu brauch es einen Differenzdrucksensor, der parallel zu dem Stromkreis an die Pumpe geklemmt wird. Im Zweifellsfall reicht eine Schlauchwaage aus.
- Bauteil-Beiwerte: Sowohl die Druckverlustbeiwerte der Komponenten (Radiatoren, Wärmetauscher, etc.), als auch ihre thermischen Widerstände. Für den Druckverlustbeiwert hat Igor den Aufbau heute schon vorgestellt. Man müsste einfach Bypass B weglassen und dafür einen Differenzdrucksensor parallel zum getesteten Bauteil vorsehen. Dazu natürlich immer schön den Volumenstrom regeln und messen. Die thermischen Widerstände sind genauso trivial. Es muss ein vorgegebener Wärmestrom eingebracht werden (auch dafür hat Igor schon einen Aufbau, siehe Reference-Benchtable für Kühler) und die Wassertemperatur vor und nach dem Kühler gemessen werden. Bei den Radiatoren braucht es dann noch die Lufttemperatur gegen die er arbeitet, bei den Wärmetauscher diejenige an der Austauschfläche (Kontakt zum Heatspreader).
Wie wir sehen ist das alles kein Hexenwerk und die Grundlagen hat Igor schon geschaffen. Nun braucht es im Detail noch ein paar Anpassungen, und unseren feuchten Träumen (Wasserkühlung) steht nichts mehr im Wege.
Ich helfe gerne beratend bezüglich künftigen Messaufbauten, bei der Umsetzung des Skripts für die Berechnung oder ähnlichem. Bei Bedarf einfach melden. Material gibt es auch viel im Netz, zum Beispiel die folgende sehr umfangreiche Formelsammlung:
Druckverlust - Formeln und Berechnungsprogramme zur Berechnung des Druckverlust durch Rohrreibung bei Flüssigkeiten und Gasen.
www.schweizer-fn.de
Ich kann aber auch gerne noch ein paar Rechenbeispiele konstruieren. Dann zeigt sich auch schnell warum ein höherer Massenstrom immer besser ist. ;-)
Ich freue mich auf viele interessante Messergebnisse in der Zukunft!
Viele Grüße,
TRX
* die Stromquelle gibt einen gewissen Strom vor, egal ob Wärmestrom, elektrischer Strom oder Wasserstrom, die Potentialquelle das Potential (egal ob Spannungsdifferenz, Druckdifferenz oder Temperaturdifferenz)
** weitere Beispiele wären z.B. Dioden/Ventile (auch Spezialvarianten wie Zener-Dioden/Überdruckventil) bis hin zum Sperrwandler, der im hydraulischen Widder seine Entsprechung findet.
*** Ein beispiel hierfür ist ein einfacher Radiator, dessen Charakteristik nicht nur von Material, Aufbau etc. abhängt, sondern auch stark von den verwendeten Lüfter und der eingestellten Drehzahl.