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Beyerdynamic DT 240 Pro – Studio-Feeling und Gaming-Tauglichkeit schon ab 85 Euro | Geheimtipp

Messung des Frequenzverlaufs

Normiert auf den Wert bei 1 KHz und zunächst erst einmal, wie sonst bei den PR-Folien üblich, auch auf eine Oktave geglättet, sieht die Kurve erstaunlich neutral aus. Anstelle des sonst üblichen V, also der Media-Markt-kompatiblen Mainstream-Badewannen-Abstimmung mit angehobenen Bässen und Höhen, finden wir eher eine Art dezent angedeutetes W. Womit der Bass bei ca. 65 Hz auf gleichem Level liegt und die Höhen bei ca. sechs bzw. noch einmal bei 14 KHz eine leichte Anhebung erfahren.

Das kleinere Tal bei ca. 380 Hz und die zwei Dellen bei ca. 3.8 bzw. 10.5 KHz sieht man eigentlich nur dann deutlicher, wenn man die Glättung mal fast komplett entfernt, wie auf der nächsten Messkurve:

Das sieht allerdings dramatischer aus, als es sich anhört. Was man allerdings vermuten könnte, wäre eine leichte Überbetonung der Zischlaute und im Superhochton. Beide Spielarten sind aber nicht wirklich neu und im subjektiven Hörtest werde ich noch etwas dazu schreiben.

 

CSD (Cumulative Spectral Decay)

Die Kurven der spektralen Zerfallsanalyse bieten weitere sehr nützliche Informationen über die Leistung der verbauten Treiber. Diese Analyse basiert auf dem bereits oben dargestellten Frequenzgangdiagramm, enthält aber zusätzlich noch das Element Zeit und zeigt nun als 3D-Grafik (“Wasserfall”) sehr anschaulich, wie sich der Frequenzgang über die Zeit hin entwickelt, nachdem das Eingangssignal gestoppt wurde. Umgangssprachlich wird so etwas auch “ausklingen” oder “ausschwingen” genannt.

Normalerweise sollte der Treiber nach dem Wegfall des Eingangssignals ebenfalls möglichst schnell anhalten. Einige Frequenzen (oder sogar ganze Frequenzbereiche) werden jedoch immer langsam(er) abklingen und dann in diesem Diagramm als länger anhaltende Frequenzen auf der Zeitachse auch weiterhin erscheinen. Daran kann man gut erkennen, wo der Treiber vielleicht besonders “scheppert” oder wo sogar Resonanzen auftreten und das Gesamtbild stören könnten.

Interessant ist, dass man kaum hör- und messbare Resonanzen findet. Für einen 85-Euro-Kopfhörer ist dies fast schon ein Alleinstellungsmerkmal und wenn wir mal ehrlich sind, der kleine 900-Hz-Huckel ist sogar noch weniger, als manche Headsets bereits im Durchschnitt aufweisen. Mit Impulsen wird der DT 240 Pro übrigens gut fertig, auch wenn er nicht so spitz wie Nachbars Lumpi jedem einzelnen Punch hinterherhechelt. Wobei das für den Preis wohl auch kaum machbar sein dürfte.

Einschwingverhalten und Impulstreue können wir also als angemessen erledigt betrachten, die Pegelfestigkeit übrigens auch. Die Kennempfindlichkeit ist jetzt nicht oberprall und an manchen Devices wird man auch schwer die Vollaussteuerung erreichen, aber es ist ja eigentlich auch nichts, was man sich ans Apfeltelefon oder den Hosentaschen-Androiden hängen müsste. Auch wenn es per Adapter oder Klinke natürlich jederzeit geht. Am Beyerdynamic A20 und auch der externen SoundblasterX G6 kommt man locker an die Schmerzgrenze der eigenen Löffel.

 

Subjektives Hörerlebnis

Testen wir nun auch subjektiv, was man im Original am Ohr anliegen hat. Ich hatte den DT 240 über längere Zeit am Sound-Loop hängen, was selbst den hartgesottensten Einspiel-Fanatikern den Wind aus den Segeln nehmen dürfte, denn ca. 80 Betriebsstunden sollten nun wirklich ausreichen.

Basswiedergabe

Den Tiefstbass in der Subkontraoktave (16,4 Hz bis 32,7 Hz) testen mit einer Aufnahme von Bachs Toccata und Fuge D-Moll (19 und 25 Hz) sowie der Festival-Ouvertüre 1812 von Tschaikowsky (10 Hz und 12,5 Hz). Das gleiche gilt auch für die unteren Bereiche der Kontraoktave (32,7 bis 65,4 Hz). Die große Basstrommel (Kick Drum), die in der U-Musik ein gern gesehener Begleiter und meist auf ca. 55 bis 60 Hz abgestimmt ist, wird diese Beurteilung dann abrunden.

Der Bass ist sauber, noch erstaunlich tief und recht lebhaft, ohne aber dabei auch nur irgendwie überpräsent zu wirken. Er ist füllig, aber nicht überproportioniert. Die Subkontraoktave ist hörbar komplett anwesend und vor allem auch recht sauber konturiert, was mich persönlich noch mehr erstaunt. Der minimale Verlust im Fundament sollte an Polstern und Anpressdruck liegen, wenn man nicht auf Zitronenpressen steht und den Bügel wie beschrieben etwas aufgebogen hat.

Aber in dieser Preisklasse ist der Bass fast schon einzigartig und ich wüsste auf Anhieb echt nichts, was man sich damit nicht anhören könnte. Der Punch ist auch gut, was der Spaß-Guerilla sicher gediegen entgegen kommt.

Der Oberbass bis 150 Hz, in dem auch die Große Oktave (65,4 bis 130,8 Hz) liegt, beherbergt die Sprachgrundfrequenz der männlichen Stimme und entscheidet sehr stark über die naturgetreue Wiedergabe männlicher Vocals.

Dieser Bereich klingt natürlich und warm, was der Sprachwiedergabe männlicher Stimmen sehr stark entgegenkommt. Es klingt füllig, warm und so ziemlich komplett. Damit kann man nicht nur gut leben, sondern es setzt unter 100 Euro auch echte Maßstäbe. Fürs Gaming ist diese sehr füllige Wiedergabe durchaus förderlich, denn sogar sehr komplexe Kriegsschauplätze stehen hier auf einem Granit-gewordenem Fundament und es scheppert und verzerrt auch nichts bei maximaler Bombenabwurfsrate.

Mitteltonbereich

Die unteren Mitten (auch Grundtonbereich) liegen bei ca. 150 bis 400 Hz. Zusammen mit dem bereits erwähnten Oberbass spielt dieser Bereich eine sehr wichtige Rolle für die subjektiv empfundene Wärme bzw. Fülle des Klangbildes. Die Sprachgrundfrequenz weiblicher Stimmen ist in diesem Bereich zu finden.

Weibliche Vocals wirken etwas schwächer, auch einige Instrumente büßen etwas an Fülle ein. Doch das ist natürlich schon Meckern auf recht hohem Niveau, denn ansonsten kommt der Klang durchaus hin. Aber völlige Perfektion geht in diesem Preisgefüge nicht, das muss man mit einkalkulieren. Die Wärme geht in diesem Bereich etwas ins Neutrale zurück, was aber nie wirklich ins kühle abgleitet. Es sind Nuancen, mehr nicht. Dem Gamer kann es sowieso egal sein, denn da liegen die Prämissen woanders.

Die oberen Mitten zwischen 400 Hz bis etwa zwei KHz beinhalten bei einem KHz eine Marke, die immer noch als Referenz für viele Messungen gilt. Das merkt man leider auch oft bei günstigeren Geräten, da die Hersteller oft versuchen, gerade diese Frequenz etwas überzubetonen. Auch beim Gaming spielt dieser Bereich keine unbedeutende Rolle und eine ausgewogene Wiedergabe trägt nicht unwesentlich zu einer guten räumlichen Auflösung bei.

War die Fahrt gerade noch etwas verhaltener, legt der DT 240 Pro nun ein ordentliches Schippchen drauf. Gerade fürs Monitoring ist diese Abstimmung nicht nachteilig, denn man hört hier eigentlich alles heraus, was man vielleicht besser nicht gehört hätte. Das ist in jeder Hinsicht präzise, auch wenn es guten Studiokopfhörern nicht ganz das Wasser reichen kann. Aber die Ansätze sind echt gut und man muss auch stets den Preis im Hinterkopf behalten.

Knapp unter einem KHz kann man mit viel Anstrengung auch ein leichte Resonanz feststellen, die aber eher vom Chassis herrühren dürfte. Komischerweise war dieser Eindruck weg, wenn man testweise eine dünne Schaumstofflage in die Muschel legt. Dass ich dies dann aber nicht als Mod empfehle liegt auch daran, dass es andere Nachteile hat und die ansonsten tadellose Abstimmung etwas konterkariert. Dann lieber doch der kleine Knubbel.

Hochtonbereich

Zwischen zwei bis etwa 3,5 KHz ist das menschliche Gehör am empfindlichsten, zumal dieser Bereich der unteren Höhen für die gute Oberton-Wiedergabe der menschlichen Stimme zuständig ist. Dieser Frequenzbereich ist nämlich entscheidend für die Wiedererkennung einer Stimme oder eines Instrumentes; man spricht in diesem Zusammenhang auch von der jeweiligen Klangfarbe.

Der kleine Peak bei ca. 3,8 KHz bringt noch einmal vieles nach vorn, was auf einigen anderen Kopfhörern in der Masse sicher untergeht. Es lässt den DT 240 Pro aber auch lauter erscheinen, als er eigentlich spielt. Man muss das mögen, aber es stört vordergründig eigentlich auch nicht. Beim Gaming hingegen ist es sogar vorteilhaft, denn sogar das leiseste Geräusch wird gut wahrnehm- und lokalisierbar, wenn es nur breitbandig genug ist und diesen Bereich auch mit abdeckt.

Die mittleren Höhen (3,5 bis sechs KHz) entscheiden über das Ge- oder Misslingen der Sprachwiedergabe als Gesamtbild, denn die S- und Zischlaute (Sibilanten) fallen in diesen Bereich. Die oberen Höhen reichen dann bis ca. zehn KHz, um in den Superhochton überzugehen.

Die Zischlaute sind für meinen Geschmack etwas zu dominant, wobei es haarscharf am Metallischen vorbeischrammt. Es ist noch knapp unterhalb dessen, was man vielleicht am besten mit “spitz” und “crispy” bezeichnen würde. Viele mögen diese Interpretation ja eigentlich ganz gern und am Ende wird man sich auch beim Hersteller etwas dabei gedacht haben. Dass der Superhochton bei ca. 14 KHz noch einmal aufdreht, geschenkt. Das ist dann eh für die Galerie.

 

Auflösung und räumliche Abbildung

Wie schon beim Amiron finde ich es sehr angenehm, dass die Bühne nicht auf Teufel komm raus künstlich gespreizt wurde. Man sitzt quasi mit etwas Abstand vorm Geschehen, wobei die räumliche Zuordnung vor allem vieler gleichzeitig agierender Quellen in dieser Preisklasse überdurchschnittlich gut ausfällt. Die Tiefenstaffelung ist gut und die Breite reicht allemal. Im Gegenteil, denn wer z.B. als Spieler vorm Monitor sitzt, der hört eigentlich auch alles genau dort, wo er es (hoffentlich) sieht.

Musik zu hören ist auf dem DT 240 Pro keine Strafe, sondern eigentlich schon ein Genuss. Man sitzt faktisch nicht mitten im Orchester, sondern etwas davor, was gut ist und auch beim Aufzeichnen und Abmischen hilft, den originalgetreuen Charakter beizubehalten. So gesehen hat man also alles richtig gemacht. Die eigentlichen Schwächen des DT 240 Pro sind definitiv nicht akustischer Natur.

Zusammenfassung und Fazit

Der DT 240 Pro ist ein sehr guter Allrounder, der beim Gaming, beim Monitoring und auch beim alltäglichen Musikkonsum eine gleichermaßen gute Figur macht. Für den professionellen Einsatz taugt das Teil durchaus, vor allem als Portable, wenn die Ansprüche und der Preis im Einklang liegen. Es bleibt aber auch noch etwas Luft nach oben, denn den günstigsten DT 770 Pro bekommt man bereits für 30 Euro mehr.

Allerdings trägt der DT 770 auch deutlich dicker auf und für viele Zwecke würde ich den DT 240 Pro sogar vorziehen, weil er deutlich neutraler und auch verhaltener agiert. Außerdem lässt sich der DT 240 Pro einfacher transportieren und auch schon einmal lässig zusammenklappen. Es bleibt also wie immer die Entscheidung zwischen einem praktischem Nackenhörnchen für unterwegs und dem fetten Sofakissen zu Hause.

Wenn man etwas kritisieren darf und sogar muss, dann sind es einerseits die etwas uninspirierten Ohrpolster, die sich nicht entscheiden können, ob sie nun die Rolle des Over-Ear oder On-Ear-Hörers spielen sollen und andererseits der sehr straffe Bügel, der bei europäischen Normalköpfen doch ziemlich viel Druck entfaltet. Aufbiegen geht, offenbart aber auch eine mögliche Materialschwäche. Denn eigentlich sollte dies so gar nicht möglich sein.

Deshalb auch kein expliziter Kauftipp, obwohl er zumindest bis Hutgröße 52 sicher möglich gewesen wäre. Aber als Preis-/Leistungshammer und echter Geheimtipp taugt der DT 240 Pro, keine Frage. Auch der direkte Vergleich zu Headsets in dieser Preisklasse lässt den DT 240 Pro nicht im Regen stehen, denn sogar die gern propagierten QPad QH-90 klingen im direkten Vergleich doch deutlich schwächer. Kann man also gern und ohne schlechtes Gewissen kaufen – vorausgesetzt, er passt.

 

beyerdynamic DT 240 Pro (718270)

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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