AMDs Ryzen-7-Markteinführung repräsentiert mehr als nur eine neue Familie von Prozessoren. Für die meisten unserer Leser signalisiert es auch die Rückkehr von Konkurrenz in den Markt der High-End-Prozessoren. Und wenn man den massiven Preisvorteil des neuen AMD-Flaggschiffs gegenüber dem schon vor Monaten von AMD festgelegten direkten Konkurrenten – Intels Core i7-6900K – bedenkt, dann löst AMD mit dem Ryzen 7 1800X seine Versprechen auch ein. Der AMD-Prozessor ist jedoch nicht so universell überlegen, wie AMD jeden glauben machen wollte.
Der heutige Test hat eine Reihe von Fragen bei uns aufgeworfen, die nicht mehr rechtzeitig beantwortet werden konnten. Beispielsweise haben wir entdeckt, dass Ryzen in Games besser abschneidet, wenn SMT deaktiviert ist. Könnte das ein Scheduler-Problem sein, das später behoben wird? AMD antwortete auf unsere Fragen und gab zu bedenken, dass Ryzens Implementierung sehr einzigartig ist und somit von den meisten Game-Engines (noch) nicht effizient genutzt wird.
Wichtiger: Bei AMD glaubt man bezüglich des SMT-Schluckaufs nicht an ein Problem auf Ebene des Betriebssystems, so dass ein Software-Fix die Performance-Probleme in vielen Games beheben könnte. Mindestens ein Spieleentwickler (Oxide) hat diese Behauptung schon untermauert. Allerdings besteht dennoch immer das Risiko, dass andere Entwickler keine Zeit damit verbringen, einen Ryzen-Fix für bereits existierende Titel zu produzieren.
Am Vorabend des Launches sandte uns AMD eine Liste von Spielen, die gut mit Ryzen laufen sollen. Dazu gehören unter anderem Sniper Elite 4, Battlefield 1, Star Wars: Battlefront und Overwatch. Wir planen, uns einige davon noch genauer anzuschauen.
AMD empfahl außerdem die Anpassung etlicher Parameterfür Games mit schwacher Performance. Laut AMD solle man das Energieprofil “Höchstleistung” wählen (was auch Intels CPUs hilft). Außerdem soll man den High Precision Event Timer (HPET) entweder im Mainboard-BIOS oder im Betriebssystem deaktivieren, was fünf bis acht Prozent Mehrleistung bringen soll. Bei unseren Messungen ist HPET aber schon deaktiviert. Interessanterweise braucht AMDs “Ryzen Master”-Software aber HPET, um “akkurate Messungen zu liefern”, so dass man sich vielleicht dabei ertappen wird, für das beste Ergebnis zwischen beiden Einstellungen hin und her zu wechseln.
Es ist schwer, Gamern den Ryzen 7 1800X anstelle von Intels preiswerteren Quad-Core-Chips zu empfehlen – besonders dann, wenn man die beeindruckende Performance des Core i7-7700K bedenkt. Damit teilen wir aber nicht speziell in AMDs Richtung aus; schließlich kann (und muss) das gleiche über Intels eigene Broadwell-E-CPUs gesagt werden.
High-End-Modelle der Kaby-Lake-Generation fordern ständig teurere Komponenten heraus – und das Kaby-Lake-Flaggschiff i7-7700K wird für 350 Dollar gelistet. Selbst wenn man den 7700K auf 3,8 GHz heruntertaktet schlägt er den Ryzen 7 1800X immer noch in beinahe jedem unserer Gaming-Benchmarks. Die würde mit einem preislich eher vergleichbaren und niedriger getakteten Ryzen 7 1700X noch stärker zu AMDs Nachteil ausfallen.
Im Gegensatz dazu ist der Ryzen 7 1800X in seinem Element, wenn man ihn mit professionellen und wissenschaftlichen Workloads füttert. Er ist nicht in jedem High-End-Benchmark der schnellste Prozessor, aber jede Kalkulation, die das Preis-Leistungs-Verhältnis einbezieht, wird mit ziemlicher Sicherheit zugunsten AMDs neuen CPUs ausfallen.
Jahrelang konnte Intel ungestraft aufgeblähte Preise für kleine, inkrementelle Leistungssteigerungen aufrufen. Der 500-Dollar-Preispunkt des 1800X und seine absolut konkurrenzfähige Performance werden zweifellos Power-User in Aufregung versetzen, bei denen das Budget eine Rolle spielt.
Wenn man die starke Leistung des 1800X in Workstation- und HPC-Workloads mit seinen Problemen im Gaming-Bereich aufwiegt, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass AMD diese spezifische Konfiguration mit einem Datacenter-Fokus im Hinterkopf designt hat und den Prozessor nicht gründlich für die Desktop-Nutzung optimiert hat – also genau wie Intel mit seinen Broadwell-E-Prozessoren.
AMDs Precision-Boost-Technologie führt zu einem feinen Dual-Core-Boost in leichtgewichtigen Workloads mit wenigen Threads, ist aber nicht so weit entwickelt wie Intels ausgeklügelte Turbo-Boost-Funktionalität für multiple Kerne. XFR ist ebenfalls ein feines Feature, das beim Vorhandensein einer guten Kühllösung die Performance automatisch anhebt. Aber die allermeisten Nutzer werden hier nur von 100 zusätzlichen MHz profitieren, so dass man XFR schwerlich als überwältigenden Vorteil bezeichnen kann.
Eine Übertaktung auf vier Gigahertz war einfach genug über Multiplikator- und Spannungsanpassungen möglich. Zudem gibt es eine Menge AMD-spezifischer Firmware-Einstellungen, die wir noch näher erkunden müssen; es könnte also durchaus noch Luft nach oben geben (auch wenn der 7700K ehrlich gesagt das interessantere OC-Objekt ist, wenn es nur um hohe Zahlen geht).
Hinsichtlich der Übertaktung des Speichers hat AMD noch nicht alle Sub-Timings verfügbar gemacht und der Core i7-6900K hat dank seines Quad-Channel-Controllers hier einen Durchsatzvorteil.
Der aggressive Preis des Ryzen 7 1800X könnte genügend Druck auf Intel aufbauen, um zu Preissenkungen im Broadwell-E-Portfolio zu führen. Aber die größere Schlacht wird wohl geschlagen werden, wenn Ryzen 5 und Ryzen 3 die preiswerteren (und schwieriger zu verdrängenden) Modelle des Konkurrenten ins Visier nehmen. AMD wird in naher Zukunft auch seine Naples-Server-CPUs vom Stapel lassen – und angesichts dessen, was wir bisher vom Zen-Core gesehen haben, dürfte das ein interessanter Launch werden.
Es ist schade, dass der Ryzen-Launch so offensichtlich vorzeitig durchgepeitscht wurde. Wir erwarteten eigentlich, dass AMD eine bessere Erklärung für die etwas schwächelnde Gaming-Performance haben würde, aber jegliches Feedback seitens AMD kam erst in letzter Minute. Es ist schwer vorstellbar, dass diese Mängel nicht schon im Vorfeld entdeckt und gründlich diagnostiziert wurden. Wir sind aber gern bereit, selbst in die Bresche zu springen, und werden weitere Informationen liefern, sobald sie verfügbar werden.
In der Zwischenzeit würden wir den Ryzen 7 1800X für massive Workloads mit hoher Thread-Anzahl – beispielsweise Rendering oder Content-Erstellung – empfehlen. Und auch wenn wir einen Prozessor nicht nur auf Basis seiner Gaming-Performance bewerten würden, lassen die Indikatoren aktuell doch vermuten, dass AMDs 500-Dollar-Flaggschiff den Core i7-7700K in diesem spezifischen Bereich in Sachen Preis-Leistungs-Verhältnis nicht schlägt.
MEHR: Intel Kaby Lake: Core i7-7700K, i7-7700, i5-7600K und i5-7600 im Test
MEHR: Broadwell-E im Test: Intel Core i7-6950X, -6900K, -6850K & -6800K
- 1 - Das Ryzen-Debüt
- 2 - AMD SenseMI Suite & XFR
- 3 - Die AM4-Plattform
- 4 - Overclocking und Test-Setup
- 5 - Power States und Cache-Tests
- 6 - Benchmarks: Ashes of the Singularity & Battlefield 4
- 7 - Benchmarks: Hitman, Project CARS & Metro: Last Light
- 8 - Ergebnisse: Desktop und Office
- 9 - Ergebnisse: Workstation
- 10 - Ergebnisse: Wissenschaftlich-technische Berechnungen und HPC
- 11 - Ergebnisse: Leistungsaufnahme und Abwärme
- 12 - Fazit
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