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Wärmeleitpasten richtig messen: ASTM D5470-17, Nanotest TIMA5, Bulk- und effeklive Wärmeleitfähigkeit exakt ermitteln

Bulk-Widerstand und Bulk-Wärmeleitfähigkeit

Um die tatsächliche Bulk-Wärmeleitfähigkeit eines Mediums zu bestimmen, nachdem der Interface-Widerstand Rinterface ermittelt wurde, kann man den gemessenen Wärmewiderstand korrigieren, um den Einfluss des Interface-Widerstands auszuschließen. Wir erinnern uns an die vorige Seite: Er stellt den Widerstand dar, der durch die thermische Grenzfläche zwischen zwei Materialien entsteht und muss nun von der Gesamtmessung subtrahiert werden, um die reine Wärmeleitfähigkeit des Materials selbst zu berechnen.

Zunächst haben wir den bereits bekannten Gesamtwärmewiderstand Rth, total. Er setzt sich aus dem Interface-Widerstand Rinterface und dem Widerstand des Bulk-Materials Rbulk zusammen:Der Bulk-Widerstand Rbulk​ hängt von der Wärmeleitfähigkeit λbulk​, der BLT und der Querschnittsfläche A des Mediums ab:Um die tatsächliche Wärmeleitfähigkeit des Bulk-Materials λbulk zu bestimmen, muss man zuerst den Interface-Widerstand vom Gesamtwärmewiderstand abziehen. Daraus kannst man jetzt Rbulk bestimmen:Anschließend stellt man die Gleichung einfach für Rbulk​ um, um λbulk​ zu berechnen:Wenn man Wärmewiderstände für viele verschiedene BLT gemessen hast und den Interface-Widerstand bereits durch Extrapolation auf BLT=0 ermittelt hat, kann man den korrigierten Wärmewiderstand Rbulk​ verwenden, um die tatsächliche Wärmeleitfähigkeit des Materials zu bestimmen. Dies ist besonders wichtig in Experimenten oder Anwendungen, bei denen genaue thermische Eigenschaften eines Materials ohne den Einfluss von Grenzflächenwiderständen erforderlich sind. Oder aber für das liebe Marketing, das ohne große Zahlen nicht überlebensfähig ist. 

Allerdings ist auch dieser deutlich höhere Wert immer noch nicht in den sphärischen Bereichen der Marketing-Heinis, die man uns glauben machen will. Betrachten wir einmal die einzelne Kurve der ausgezeichneten DOWSIL TC-5888, deren Wärmeleitfähigkeit der Hersteller Dow Chemical mit 5.2 W/m·K angibt. Und jetzt werfen wir einen Blick auf meine Messung und sehen, was zu beweisen war. Es stimmt bis auf die Nachkommastelle überein!

Und nun vergleichen wir noch einmal diesen Bulk-Wert mit den tatsächlichen, effektiven Werten für die relevanten Schichtdicken BLT aus der Praxis. Das ist immer noch gut, aber eben doch etwas weniger und steigt auch hier mit zunehmender BLT an:

Die Nachteile der ASTM Hotwire Messung (oder wie man es nicht machen sollte)

Der eigentlich recht preisgünstig zu realisierende ASTM Hotwire Test zur Messung der Wärmeleitfähigkeit von Wärmeleitpasten hat gravierende Nachteile, die die Genauigkeit der Ergebnisse ziemlich schnell beeinträchtigen können. Ein Hauptproblem bei diesem Verfahren ist die potenzielle Fehleinschätzung der tatsächlichen Wärmeleitfähigkeit der getesteten Materialien, was oft zu viel zu hohen Werten führt. Einer der wesentlichen Nachteile des ASTM Hotwire Tests ist dabei die Sensibilität des Tests gegenüber den Kontaktwiderständen zwischen der Wärmeleitpaste und den metallischen Platten.

Diese Kontaktwiderstände entstehen durch Unebenheiten auf den Oberflächen der Platten und durch die nicht perfekte Verteilung der Paste. Selbst kleine Luftblasen oder ungleichmäßige Schichten können den Wärmefluss beeinträchtigen und somit die Messergebnisse verfälschen. Da der Test auf der Annahme basiert, dass die Paste den Wärmestrom gleichmäßig leitet, können solche Ungleichmäßigkeiten schnell zu systematischen Fehlern führen und tun dies in der Regel bei Materialien oberhalb 1 W/m·K auch.

Exemplarischer Hot-Wire-Tester bis 1 W/m·K mit dem Bottich für das Testmaterial

Dazu kommt unzureichende Berücksichtigung des Einflusses von Temperaturgradienten entlang der metallischen Platten. Wenn die Temperaturverteilung nicht gleichmäßig ist, beeinflusst dies die Temperaturmessungen und führt zu einer ungenauen Berechnung der Wärmeleitfähigkeit. Darüber hinaus kann der Hotwire Test bei hohen Temperaturen durch die thermische Ausdehnung der Materialien zusätzlich verzerrt werden, was ebenfalls zu fehlerhaften Ergebnissen führen kann.

Die oft zu hohen gemessenen Werte resultieren auch aus dem sogenannten “Guarded Hot Plate”-Design des Tests, bei dem die Erwärmung des Drahtes zu einer Überbewertung der Wärmeleitfähigkeit führen kann. In der Praxis bedeutet dies, dass der Test die Wärmeleitfähigkeit der Wärmeleitpaste überschätzt, weil die Methode empfindlich auf die lokale Überhitzung des Drahtes reagiert. Der Draht erzeugt eine punktuelle Wärmequelle, die nicht unbedingt repräsentativ für die gleichmäßige Wärmeübertragung in realen Anwendungen ist. Die Unzulänglichkeiten sind also  auf eine Kombination aus Kontaktwiderständen, ungleichmäßiger Temperaturverteilung, und der spezifischen Testanordnung zurückzuführen, die nicht immer die realen Einsatzbedingungen der Wärmeleitpasten korrekt nachbilden. Daher sind diese Messungen bei besser leitenden Pasten weniger zuverlässig und können die tatsächliche Leistung der Wärmeleitmaterialien gehörig überschätzen. Aber sie sind günstig, denn so eine Anlage kostet am Ende nur ein Zehntel eines ordentlichen Testers.

Aber lassen wir das, wir wollen es ja ordentlich machen. Deshalb stelle ich Euch auf der nächsten Seite noch das genutzte Equipment vor.

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pinkymee

Veteran

118 Kommentare 126 Likes

@Igor Wallossek Danke für die sehr ausführlichen Erklärungen und Beschreibungen. Zu Deinem Fazit, da gehe ich vollkommen mit. Respekt auch für den Mut, die ganzen Machenschaften aufzudecken. Finanziell sind das Anschaffungen, davon träumen hier sicherlich die Meisten, mich eingenommen. Gut, dass Du ein MACHER bist :) und uns mit einbeziehst. Mit den uns gegebenen Möglichkeiten, versuchen wir Dir ein wenig davon zurückzugeben

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echolot

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1,177 Kommentare 919 Likes

Dieser Artikel zeigt wunderbar, warum sich Igorslab von anderen Seiten unterscheidet. Volle Transparenz, aber auch keine leichte Kost. Dank dafür. Den "harten Stoff" kann ich mir aber erst am WE reinziehen.

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big-maec

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977 Kommentare 589 Likes

Ein bisschen Wärmelehre und Mathematik am frühen Morgen, aber der Artikel musste wohl sein.:)

Ach her je, Widerstände stehen der verlustfreien Übergabe der Energie im Wege, kenne ich auch noch von woanders.:D

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Igor Wallossek

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Das Problem ist das gefährliche Halbwissen, das man auf z.B. auf Reddit und leider zum Teil neuerdings auch in unserem Form findet, wenn es um bestimmte Themen geht. Frei nach dem Motto, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Da wirkt sogar bei Leuten das Panscher-Marketing nach, wo man es nicht vermuten würde. Ich musste in einem Thread fast eine Seite nutzlose Diskussion löschen, weil man zwar über ein Fachthema diskutieren wollte, aber selbst so triviale Sachen wie eine simple Extrapolation nicht kannte. Das kann mein ältester Sohn bereits (Klasse 7), weil er sich dafür interessiert. Wie kann man über Themen wie dieses diskutieren, wenn schon mathematisches Trivialwissen fehlt und der Wink mit dem Zaunspfahl in Form von vielen auf einer gedachten Linie liegenden Werte nicht verstanden wird?

Wenn ich Eines gelernt habe (mal wieder), dann ist es der Umstand, dass ich mich im Forum auf keine Diskussionen mehr einlassen werde, die auf einer fachlichen Wissenslücke basieren. Ich bin auch kein Nachhilfelehrer, sondern habe nicht nur einen Vollzeitjob, sondern zwei. Da hilft nur, das Ganze für alle nachlesbar niederzuschreiben und noch einmal für Dummies zu erklären, weil Argumente sonst nicht fruchten. Das hat nichts mit Überheblichkeit zu tun, denn nicht jeder steckt tief genug in der Materie und für diejenigen betreibe ich den Aufwand wirklich gern. Aber es gibt eben auch welche, die es nicht tun, aber es glauben. Dann platzt mir irgendwann auch mal die Hutschnur. Gegen vorgefestigte Meinungen kann man im Forum nicht anschreiben, weil es am Ende nichts bewirkt und man nicht mal alle erreicht.

Die zwei Artikel eines hoffnungslos überforderten ehemaligen Mitautoren (Wasserblock, Lüfter) kosten mich heute noch Nerven, Reputation und am Ende auch bares Geld. Nie wieder mit Laien, so toll sie sich auch verkaufen mögen (und dafür nicht nur einmal bereits rechtskräftig verurteilt wurden). Und was das Equipment betrifft, so werde ich es ähnlich halten. Frickelkram bringt nichts außer Ärger und noch mehr Frickelei, zumindest auf dem Niveau, was ich anstrebe. Ich könnte mich heute noch in den A... beißen, dass ich diese Unglückskiste für die Lüfter nie selbst inspiziert und überprüft habe. Aber keine Angst, es gibt bald was Neues. Dass das jetzt solange dauert, liegt leider an der Industrie, wo eine der Hitzdrahtsonden einen rekordverdächtigen DHL-Loop vollziehen musste, bis sie endlich funktioniert. Und Danke an Aqua Computer für die aufwendige Programmierung und Anpassung der Aquasuite für das Sauermann-Steuergerät! Ehre, wem Ehre gebührt :)

Auch der verlustfreien Weitergabe von Informationen :D

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Klicke zum Ausklappem
DigitalBlizzard

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3,144 Kommentare 2,074 Likes

Wer's jetzt nicht versteht, der will es nicht verstehen, das waren gerade 2 Semester auf 4 Seiten.
Hätte ich so nen Chemie - und Physiklehrer wie Igor gehabt, wäre mehr aus mir geworden 😉
Während es sonstwo das immer Gleiche Influencer Marketing gibt, werden hier Mythen entzaubert und gründlich hinter der glänzenden Fassade recherchiert.
So geht Tech-Journalismus.

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intern

Neuling

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Hast Du ein Laborraum gemietet oder hat das heimische Sofa weichen müssen für das ganze Equipment? :>

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LEIV

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Sehr schöner und vor allem informativer Artikel. Freue mich schon auf die Datenbanken

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DigitalBlizzard

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Igor hat sich gleiche ein riesen Mehrfamilienhaus solider Bauart besorgt, Labors, Redaktion, Wohnen alles über die Wohnungen im Haus verteilt.
Das ganze, auch wenns toll aussieht, Denkmalgeschützt, da wird's Bürokratisch ein Eiertanz wenn Du die unumgängliche Klimatisierung einbauen willst.
Sowas kannste kaum im heimischen Wohnzimmer nebenbei aufbauen, es sei denn du hast ne 10 Zimmer Wohnung mit durchschnittlicher 50qm Zimmergröße.

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Fraggle1elf

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Schöner Artikel, gefällt mir echt gut. An zwei Punkten würde ich es aber etwas anders Formulieren, ob das besser ist sei dahingestellt.
Die Abweichungen der einzelnen Messpunkte von der Regressionsgerade werden in den Determinations-Koeffizienten (Bestimmtheitsmaß) zusammengefasst.
Dieser Abschnitt bereitet mir auch etwas Bauchschmerzen. Bei einer linearen Regression von 2 Punkten erhalte ich immer ein Bestimmtheitsmaß von 1, da quasi per Definition die Gerade durch die 2 Messpunkte verläuft und ich keine Abweichung von dieser habe.

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DigitalBlizzard

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3,144 Kommentare 2,074 Likes

Da klingst gleich wie ein Dipl.Ing. der Mikrofluidik und -mechanik, das solltest beruflich machen 😉
Aber bedenke, 90% der Leser sind mitnichten vom Fach, zwar versiert und interessiert, aber man muss es entsprechend versuchen vereinfacht zu formulieren.
Darf am Ende keine Masterarbeit werden.
Aber es zeigt auch, dass sich hier eben nicht das Grobzeug tummelt, sondern schon ordentlich IQ und Sachverstand anwesend ist, im Forum.
Würde sagen, da macht Igor einiges verdammt richtig.

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big-maec

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Nach dem Avatar erinnert mich das eher an Prof. Dr. Honigtau Bunsenbrenner

Jetzt fehlt nur noch Statler und Waldorf.

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DigitalBlizzard

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Nee, der Avatar täuscht da glaube ich ganz gewaltig, das ist extreme Tiefstapelei, ums mal im Pottjargon zu sagen, der weiß wo der Frosch die Locken hat.

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Fraggle1elf

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(y)Ok, das war ein Treffer ins schwarze. Sowas habe ich tatsächlich studiert. Ich bin zwar inzwischen etwas davon weg, aber die Grundlagen (Mathe, Physik) verlernt man ja nicht.:cool:

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DigitalBlizzard

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Der Bauer erkennt seine Schweine am Gang :cool:

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Fraggle1elf

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Das was aber jetzt ein Schlag unter die Gürtellinie😭🤓

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DigitalBlizzard

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Nee, das war nicht despektierlich gemeint, eher im Gegenteil. Ich erkenne Fachwissen und weiß in welche Schublade es gehört

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Igor Wallossek

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Und was machst Du dann mit dem Wolfgang?

@Fraggle1elf
Das mit den zwei Punkten ist mir auch klar, man braucht ja mindestens drei, allerdings hatte ich ja einige mehr, die ich dann ausgeklickt habe. Ging dann die Hand mal schneller als der Kopf. Missverständlich ja, ich habe beide Sätze noch komplettiert. Danke für den Tipp. Sonntagsarbeit sollte verboten werden :)

Dafür habe ich alter fauler Sack heute eine 4K-Kamera eingebaut, die mir die vielen Laufereien spart :)

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Igor Wallossek

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10,840 Kommentare 20,534 Likes

Jetzt geht alles vom Schreibtisch aus...

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Und dank OBS kann ich sogar Videos machen :D

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DigitalBlizzard

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3,144 Kommentare 2,074 Likes

ich weiß nicht mehr welcher Gang das genau war, aber den Wolf hab ich mir auch schon gelaufen ;)
Die dazu passenden Wildtiere sind bei uns wieder zum Abschuss freigegeben, nachdem unser regionaler "Problemwolf" Namens Gloria sich durch sämtliche viehwirtschaftlichen Betriebe geschlemmt hat. Mitunter vier Gänge in einer Nacht, Schaf als Amuse Guele, Pony als Vorspeise, Rind als Hauptgang und zum Dessert ein Reh. Da war selbst die Forstbehörde der Meinung, entweder Glorie ist 10Meter groß, oder hat ein Rudel von 30 Tieren, oder es ist einfach der pure Spaß am Töten, die ersten beiden Punkte konnte man ausschließen, daher gabs das T-Shirt mit Zielscheibe als Belohnung.

Die Kamera macht ein verdammt feines Bild, was ist das für eine? Ich brauche nämlich auch eine.

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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