Messaufbau und Grundlagen
Generell gilt, dass man zur Messung des Übertragungsverhaltens von Kopfhörern sogenannte Kuppler mit klar definierten Volumina und fest eingebauten, sauber kalibrierten Messmikrofonen nutzt. Der Rest orientiert sich dann auch am zu messenden Objekt. Für Einsteckhörer (In-Ears) und Kleinhörer (z.B. aus Hörgeräten) lässt sich der Aufbau genauso gut nutzen, wie für einfachere Kopfhörer und Headsets als sogenannte On-Ears (Kopfhörer mit supraauralen Kissen). Für solche Kopfhörer (On-Ear) ist das „künstliche Ohr“ nach IEC 318 brauchbar, an das ich mich mit der Umsetzung nunmehr gehalten habe.
Die dicken Over-Ears, also circumaurale bzw. Ohr-umschließende Kopfhörer, sind nicht einfach zu handhaben, wenn es um die Messung und vor allem um die Reproduzierbarkeit geht. Denn genau dafür gibt es ja noch gar keine wirklich genormten Kuppler. Die Gründe dafür liegen in Schwierigkeiten der Messtechnik und den vielen beeinflussenden Faktoren begründet, die eine sichere Reproduzierbarkeit fast unmöglich machen. Daher werden solche circumaurale Kopfhörer überwiegend mit entsprechend umgebauten Kupplern für supraaurale Kopfhörer gemessen, indem man zusätzlich eine flache Platte als Auflage für das circumaurale Kissen nutzt (siehe Bild).
Wichtiger Anhaltspunkt bei Kopfhörern: Die Harman Kurve
Die sogenannte Harman-Kurve ist eine (optimale) Klangsignatur, die die meisten Menschen bei ihren Kopfhörern bevorzugen. Sie ist somit eine genaue Darstellung dessen, wie z.B. hochwertige Lautsprecher in einem idealen Raum klingen und sie zeigt den Zielfrequenzgang eines perfekt klingenden Kopfhörers. Damit erklärt sie auch, welche Pegel angehoben und welche gedämpft werden sollten, wenn man diese Kurve zugrunde legt. Damit erklären wir auch in einem Aufwasch noch den Begriff der oft zitierten “Badewannen-Abstimmung”, bei dem die Harman-Kurve jedoch völlig überzogen missbraucht und überhöht wird.
Aus diesem Grund ist die Harman-Kurve (auch “Harman-Ziel” genannt) einer der besten Frequenzgangstandards für den Musikgenuss mit Kopfhörern, denn im Vergleich zum flachen Frequenzgang (neutrale Kurve) sind bei der Harman-Kurve die Bässe und Höhen leicht angehoben. Diese “Kurve” wurde 2012 von einem Team von Wissenschaftlern unter der Leitung des Toningenieurs Sean Olive erstellt und veröffentlicht. Die Forschung umfasste seinerzeit auch umfangreiche Blindtests mit verschiedenen Personen, die unterschiedliche Kopfhörer testen mussten. Auf der Grundlage dessen, was sie dann mochten (oder auch nicht), fanden und definierten die Forscher die allgemein beliebteste Klangsignatur.
Die Abstimmung von Kopfhörern kann aufgrund der menschlichen Anatomie wirklich problematisch sein. Jeder Mensch hat eine etwas andere Ohrmuschel und einen etwas anderen Gehörgang, was sich darauf auswirkt, wie die einzelnen Personen bestimmte Frequenzen wahrnehmen. Im Extremfall gibt es von Person zu Person ein paar dB Unterschied, was dann auch die kleinen Unterschiede in manchen Messungen mit künstlichen Ohren erklärt. Außerdem wird der Schall, wenn er nicht absorbiert wird, von anderen Oberflächen zusätzlich reflektiert. Theoretisch wäre also auch ein Torso im Testaufbau mit einzubeziehen, aber das wäre viel zu aufwändig.
Messung des Frequenzverlaufes
Kommen wir nun zur Messung, bei der das Headset am HIFIMAN gemessen wurde. Die Ausgangsimpedanz der Endstufen liegt deutlich unter einem Ohm, so dass vor allem im Bassbereich keine Impedanzverschiebungen und damit zusätzliche Messfehler entstehen. Apropos Bassbereich: Wir sehen eine sehr starke Betonung und für Nutzer, die besonders auf Bassqualität achten, bietet der kontrollierte und “saubere” Bass der Meze 99 Classics ein hervorragendes Hörerlebnis, trotz der leichten Überfettung. Der Bass wirkt „spaßig“, aber nie übertrieben, was die Kopfhörer sowohl für bassliebende Hörer als auch für Audiophile geeignet macht. Wem es etwas too much ist, der regelt ihn einfach etwas zurück.
So bietet der Frequenzverlauf der Meze 99 Classics eine warme, natürliche und ausgewogene Wiedergabe, die sich ideal für Hörer eignet, die eine detaillierte, aber nicht übermäßig analytische Klangsignatur suchen. Die leichte Betonung des Oberbasses und der unteren Mitten gibt dem Klang Fülle, während die Höhen und Superhochtöne sanft gehalten werden, um eine angenehme und entspannte Hörerfahrung zu gewährleisten
Kumulative Spektren (CSD, SFT, Burst)
Das kumulative Spektrum bezeichnet verschiedene Arten von Diagrammen, die Zeit-Frequenz-Eigenschaften des Signals zeigen. Sie werden durch die aufeinanderfolgende Anwendung der Fourier-Transformation und geeigneter Fenster auf überlappende Signalblöcke erzeugt. Diese Analysen basieren auf dem bereits oben dargestellten Frequenzgangdiagramm, enthalten aber zusätzlich noch das Element Zeit und zeigen nun als 3D-Grafik („Wasserfall“) sehr anschaulich, wie sich der Frequenzgang über die Zeit hin entwickelt, nachdem das Eingangssignal gestoppt wurde. Umgangssprachlich wird so etwas auch „ausklingen“ oder „ausschwingen“ genannt. Normalerweise sollte der Treiber nach dem Wegfall des Eingangssignals ebenfalls möglichst schnell anhalten. Einige Frequenzen (oder sogar ganze Frequenzbereiche) werden jedoch immer langsam(er) abklingen und dann in diesem Diagramm als länger anhaltende Frequenzen auf der Zeitachse auch weiterhin erscheinen. Daran kann man gut erkennen, wo der Treiber eklatante Schwächen aufweist, vielleicht sogar besonders „scheppert“ oder wo im ungünstigsten Fall Resonanzen auftreten und das Gesamtbild stören könnten.
Cumulative Spectral Decay (CSD)
Der kumulative spektrale Zerfall (CSD) verwendet die FFT und ein modifiziertes Rechteckfenster, um den spektralen Abfall der Impulsantwort zu analysieren. Es wird hauptsächlich zur Analyse der Treiber-Antwort verwendet. Der CSD verwendet normalerweise nur eine kleine FFT-Blockverschiebung (2-10 Samples), um Resonanzen im gesamten Frequenzbereich besser sichtbar zu machen und ist somit ein nützliches Werkzeug zur Erkennung von Resonanzen des Wandlers. Das Bild zeigt sehr schön das Einschwingverhalten und einige winzige Bassresonanzen im Oberbass und bei den unteren Mitten.
Short-time Fourier Transform (STF)
Die Kurzzeit-Fourier-Transformation (STF) verwendet das FFT- und Hanning-Fenster, um das zeitlich variierende Spektrum der aufgezeichneten Signale zu analysieren. Hier nutzt man im Allgemeinen eine größere Blockverschiebung (1/4 bis 1/2 der FFT-Länge), um einen größeren Teil des zeitvariablen Signalspektrums zu analysieren, wobei man besonders den Einsatzgebieten wie Sprache und Musik näherkommt. Im STF-Spektrum sehen wir nun auch sehr schön die Arbeit der Treiber, die sich kaum Schwächen leisten. Das leichte „Nachziehen“ bei den niedrigeren Frequenzen unterhalb von 500 Hz wiederholt sich dann noch einmal bei ca. 2KHz. Damit kann man sehr gut leben.
Burst Decay
Beim CSD wird der Plot im Zeitbereich (ms) erzeugt, während der hier verwendete Burst Decay Plot in Perioden (Cycles) dargestellt wird. Und während beide Methoden ihre Vor- und Nachteile (oder Einschränkungen) haben, kann man durchaus sagen, dass die Darstellung in Perioden durchaus sinnvoller sein kann, um das Abklingen eines Treibers mit einer großen Bandbreite zu bestimmen. Und genau da schneiden die Meze 99 Classics ebenfalls gut ab. Wir sehen vor kaum echte Resonanzschwingungen. Das gefällt definitiv.
Zwischenfazit
Damit wäre dieser Part auch (fast) schon wieder erledigt und wir kommen auf der letzten Seite noch zum subjektiven Eindruck.
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