Grundlagenartikel Kühlung Praxis Testberichte Wärmeleitpaste und Pads

Geheimakte Wärmeleitpaste: Steigende Schichtstärke bei hohen Temperaturen, Alterung und Qualitätsunterschiede sowie deren Einfluss auf die Benchmarks

Mythos 2: Die Stärke der Wärmeleitpastenschicht (BLT) wird mit steigender Temperatur geringer

Man nimmt ja meist an, dass jede Pastenschicht unter Druck und bei steigenden Temperaturen immer dünner wird. Das ist allerdings grundfalsch. Die Bondline Thickness (BLT) einer Wärmeleitpaste wird, solange sie z.B. silikonhaltig ist, mit steigender Temperatur nämlich mehr oder weniger stark zunehmen, was (nicht nur) auf das viskoelastische Verhalten des Materials zurückzuführen ist. Damit unterscheiden sich diese Pasten ja auch vom Phase Transition Material PTM. Diesem speziellen Verhalten der Pasten habe ich dann auch das nächste Kapitel gewidmet, nachdem ich das Ganze jetzt erst einmal für Euch gemessen habe. Denn die Details sind wirklich interessant und fast niemandem bekannt. Damit ist es mir sogar gelungen, den einen oder anderen Spezialisten zu überraschen, bis hin zu den Anbietern von Wärmeleitpasten selbst. Nur die Silikonöllieferanten werden hier wissend nicken.

Für die nächste Untersuchung nutze ich einen anderen Weg und verzichte auch auf die extremen, sich wiederholenden Zyklen. Allerdings nutze ich, wie gehabt, einen konstanten Druck von 60 PSI, aber im Unterschied zum ersten Test jedoch unterschiedliche und ansteigende Temperaturen von 30 °C bis 100 °C in relativ feinen 5-Grad-Schritten. Auch diese Messung dauert mindestens 45 Minuten bis 1 Stunde. Ich messe jetzt mit Absicht nur das Verhalten im ersten Zyklus, denn man kann anhand dieser Werte nicht nur beobachten, wie sich die Schichtstärke ausdehnt, sondern z.B. auch Rückschlüsse auf Wasserreste ziehen, weil die Paste im Vakuum nicht richtig ausgegast wurde.

Das Extrembeispiel dafür war ja mein erster Test der Cooler Master Cryofuze Violet, wo neben dem fehlenden Al2O3 auch noch viel zu viel Wasser in der Paste war. Außerdem spielen noch die Höhe der Befüllung der Paste mit wärmeleitenden Partikeln und die Qualität bzw. Konsistenz des Silikonöls eine Rolle.

Cooler Master Cryo Fuze Violet, fehlendes Korund und zu viel Wasser – Der Hersteller reagiert

Doch genug der Abschweifungen, betrachten wir nun das ernüchternde Messergebnis und staunen erst einmal eine Runde! Bei ungefähr 60 °C treffen sich beide Kurven, dann treibt es die Thermal Hero Quantum förmlich auseinander!  Je nach Testaufbau trägt so eine Kurve jedoch auch dazu bei, dass nicht nur die Werte verschiedener Reviews so abweichen, sondern das vor allem bei den Reviewern, die die Hero so gut fanden, meist niedrigere Temperaturen in der Paste zu finden waren. Denn die ausgelesene CPU-Temperatur ist noch lange nicht die Pastentemperatur und so kann es in der Kette aller Wärmewiderstände zwischen Die und Wasser trotz ähnlicher CPU-Temperaturen auch von Aufbau zu Aufbau zu verschiedenen Pastentemperaturen und damit auch BLT kommen! Das macht solche Tests untereinander kaum vergleichbar, solange man keine einheitlichen Bedingungen garantieren kann.

Die nur mittelmäßig hoch befüllte Thermal Hero Quantum lässt sich bei 30 °C und 60 PSI bis auf erstaunliche 15 µm zusammenquetschen, die Thermalright TF8 schafft im kalten Zustand nur rund 25 µm. Heizt man die Pasten jedoch langsam bis auf 100 °C auf, dann erkennt man, dass die Thermal Hero Quantum fast 127 Prozent (!) bei der Schicht zulegt und sich diese somit mehr als verdoppelt! Das ist ein guter Beweis für Blasenbildung, ggf. auch Wasserrückstände und ein bereits ausgasendes, minderwertiges Silikonöl. Die genauen Vorgänge schildere ich dann auf der nächsten Seite noch detailliert, denn darüber müssen wir dringend reden.

Die Thermalright TF8 startet mit 25 µm, endet bei 100 °C allerdings bei nur reichlich 31 µm BLT, was einen Zuwachs der Schichtstärke von nur 24 Prozent bedeutet. Also haben wir hier statt dem 2,3-Fachen nur ein knappes Viertel mehr. Das sagt jetzt bereits viel mehr über die Qualität einer Paste aus als ein einmaliger Testlauf mit CPU und Stresstestprogramm über 30 Minuten. Die blaue Kurve indiziert die Thermal Hero Quantum nämlich als Kernschrott, auch wenn manche Tester sie in den Himmel loben. Das ist nichts und wird auch nichts!

Dafür habe ich jetzt noch ein weiteres 6-Stunden Special der Quantum, was uns zeigt, dass das Delta zwischen der maximalen und minimalen BLT zwar fast gleich bleibt, aber in der Relation nach unten hin verschiebt. Das heißt am Ende aber auch, das die Paste bereits anfängt sich nach nur wenigen Stunden schon aufzulösen.

Damit wären dieser Mythos und alle Begleiterscheinungen sicher auch hinreichend widerlegt.

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pinkymee

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Moinse :) Ein sehr sehr guter Artikel. Extrem aufschlussreich und verständlich geschrieben. Danke Igor!

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pinkymee

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Und nicht nur nach Deinem Hinweis hatte ich eh vor, meine kleine Ausus Grafikkarte neu zu bepasten ;)
Wer hätte gedachte, dass Wärmeleitpaste mal so unser Leben beschäftigt? Ich bin sehr dankbar für das alles hier!
Es klärt auf, verhindert falsches Denken und zerstört schwachsinnige Mythen. Ich liebe es :D
Kaum etwas ist schlimmer als sau dämliches YT oder TikTok Gelaber ...... es ist einfach nicht mehr zu ertragen.
Aber .... so ist es leider.

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XXL

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dem kann ich mich nur anschliessen-Danke :coffee: (y)

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big-maec

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Jetzt hoffen wir mal, dass der Artikel auf allen Seiten zum Nachdenken anregt.

@Igor Wallossek wenn du jetzt mit so viele WLPs einen Test machst, machst du dir da auch schonmal Gedanken über eine eventuelle Belastung von Schadstoffen in den Silikonölen, die bei Erwärmen in die Atemluft gelangen könnten?

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Igor Wallossek

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Ich habe mittlerweile Vollklima und seit jeher eine gute Entlüftung. Der Tima steht ein paar Meter weg und ich habe mir eine Fernsteuerung und Überwachung gebaut, sodass ich nicht daneben stehen muss. Das Case ist zudem verschlossen. Beim Laser halte ich meine Nase auch weit weg :D

Silikonhupen sind gefährlicher :D

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echolot

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Der Abfall der Wärmeleitfähigkeit ist hier schon krass. Gelb = Idle. Blau = Vollast. Nach 6 Zyklen geht die aber schon gewaltig in die Knie. Testeterei Ist aufwendig, aber extrem aufschlussreich. Anhand der Zusammensetzung sollte ein Trend vorhersagbar sein.

View image at the forums

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Igor Wallossek

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De Kurve flacht zwar ab, aber nach den üblichen 1000 Zyklen sollte von der Paste nichts mehr übrig sein.
Nur für die paar Kurven hat das hier insgesamt 18 Stunden gerödelt. Den Strom sponsert einem keiner. :D

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echolot

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Aber bitte nicht lasern. :D

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eastcoast_pete

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Auf die Reaktion der GPU OEMs (Boardpartner) bin ich jetzt schon gespannt!
Übrigens war CPU und GPU/KI Beschleuniger Kühlen, allerdings mit Fokus auf Serverfarmen und ähnliche Anlagen, auch ein Thema bei der diesjährigen Hot Chips Konferenz, die gerade stattfindet.

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Igor Wallossek

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Ich weiß. Ich liege mit dem Thema voll im Trend und mache eigentlich auch nichts ohne langfristige Planung und Ausrichtung. :D

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pinkymee

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Was verbraucht die Maschine pro Stunde?

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DigitalBlizzard

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Danke @Igor Wallossek , solche Artikel sind extrem hilfreich, damit der User versteht, was taugt und was nicht und vor allem warum.
Diese katastrophale Degradation wäre auf eine teuren hochwertigen Grafikkarte ein Supergau.
Der User sieht die ersten Temps und glaubt sein Paste sei gut, und bekommt unter Umständen gar nicht mit, dass die Wirkung schon nach wenigen Tagen massiv nachlässt.
Das ist nicht nur Ärgerlich, sondern sogar gefährlich.
Gerade auf Grafikkarten ein absolutes NoGo.
Deswegen empfehlen wir ja auch den Blick in Richtung Haltbarkeit zu richten, auf GPUs am besten minimal degradierende PCMs zu nutzen, die über lange Zeit eine konstante Wirksamkeit gewährleisten.
Den schnellen Blick nur auf die ersten Temperaturen zu richten kann einen die Hardware kosten.
Frische Paste performt oft ein paar K besser als manche Pads, aber das dreht sich in einem solchen Fall wie mit der Heldenmumpe schnell ins Gegenteil, und dann ist der Ärger groß.
Solche Blender die mit Eimer Messungen ohne Druck absurde W/mks erreichen sind generell mit Vorsicht zu genießen, jeder der mit solchen W/mks bei Pasten wirbt, kann eigentlich pauschal aussortiert werden, da würde nix real getestet , alles nur Marketing und wenn man bedenkt das man für so ein Zeug bis zu 8€/g bezahlt, kannst Dir auch von Esoteriker nebenan ne Flasche "Hexagonalwasser " kaufen und das nutzen.

Und deswegen muss man auch vor den Tests warnen, die im Netz kursieren, natürlich sind die mit ein paar normalen Runs mit frischer Paste gemacht, und performen, wenn man das Ganze mal eine Woche durchziehen würde, würden solche Pasten durchfallen.

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Igor Wallossek

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TIMA + Chiller + VHX + Klima rund 2 bis 2.5 kWh, je nach Arbeitsvorgang.
Aber die Geräuschentwicklung ist schon enorm, wenn man alle Schallquellen einem Raum hat.

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pinkymee

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Heftig! Das ist mal ne Ansage!

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DigitalBlizzard

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Ich sag ja, ein Königreich für nen eigenen kleinen Kernfusionsreaktor.

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RedF

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Habe mir das Pump out immer so vorgestellt:
1. Es wird heiß, Kühler und Paste dehnen sich aus, die Paste braucht Platz, also quillt sie an den Seiten raus.
2. Es wird wieder kalt, und wie das so ist, bleibt ein teil der ausgedehnten Paste neben dem Kühler/IHS/DIE wo sie sich so schön ausbreiten konnte.

Hätte nicht erwartet, dass sie genug druck, nach oben/unten hat um kühler/TIMA zu verdrängen.

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DigitalBlizzard

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Gibt einen Silikoneffekt, den kann Igor aber besser erklären, der das ganz massiv vorantreibt.
Silikon degradiert physisch ( Massenverdrängung )und chemisch ( Zersetzung und Ausgasung ), deswegen sind gute Mischungen auch nicht mal eben so gemacht. Du hast ein extrem kleines Spektrum an Matrix und Füllstoffen, die eine ausgewogene Mischung zwischen Haltbarkeit und hoher Wirksamkeit gewährleisten.
Änderst an diesem Verhältnis in irgendeine Richtung etwas, geht Leistung runter und Degradation hoch.
Und deshalb ist eine hochwertige Matrix und gute Füllstoffe so wichtig.
Haste ne schlechte Matrix mit groben und schlecht verteilten Füllstoffen, werden sogar physisch unproportional die wärmewirsamen Stoffe gleich zu Beginn verdrängt, übrig bleibt Wirkungslose Silikonpampe

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Freelancera1

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Ich hoffe, du hast eine Solaranlage, die würde sich bei dem Stromverbrauch schneller amortisieren.

Wir reden hier über Pasten, die wir als User oder auch schon der Hersteller aufträgt. Bei der CPU wird zwischen Deckel und dem Chip ebenfalls WLP aufgetragen. Hast du eine Möglichkeit, so eine Paste mal unter deine Materialanalyse zu packen? Denke für einen Test wird es zu wenig Paste sein.

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Igor Wallossek

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Ja, das reicht leider nicht. Hier müsste man wohl schon mindestens 5 CPUs köpfen, solange es herkömmliches TIM und kein Flüssiglot ist.

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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