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Echte Labortests von Wärmeleitpasten auf igor’sLAB – Teil 1 – Messaufbau und Methodik

Vom Wärmewiderstand zur Wärmeleitfähigkeit

Was Wärmewiderstände sind und wie man aus diesen die Wärmeleitfähigkeit errechnet, das muss man natürlich ebenfalls wissen. Und deshalb muss ich Euch jetzt einmal kurz quälen. Um nämlich den Wärmewiderstand Rth in die Wärmeleitfähigkeit λeff umzurechnen, müssen einige Parameter des Materials und der Geometrie bekannt sein. Der Wärmewiderstand und die Wärmeleitfähigkeit sind durch die Dicke des Materials und die Fläche, durch die die Wärme fließt, miteinander verbunden.

  • Die Wärmeleitfähigkeit (λeff) wird in Watt pro Meter und Kelvin (W/(m·K)) angegeben
  • Der Wärmewiderstand Rth) wird in Kelvin pro Watt (K/W) angegeben
  • Dicke des Materials (d) in Metern (m) (auch als BLT bzw. Bond Line Thickness bezeichnet)
  • Fläche (A) durch die die Wärme fließt in Quadratmetern (m²)

Der Wärmewiderstand für ein flaches Material ist einfach zu berechnen:

Wenn der Wärmewiderstand Rth, die Dicke d und die Fläche A bekannt sind, so wie bei meinen Messungen, dann kann man diese Formel umstellen, um effektive Wärmeleitfähigkeit λeff zu errechnen:

Nun können wir einmal eine echte Beispielrechnung für ein exemplarisches Phasenwechselpad aus einem reinen Polymer machen, wobei der Wärmewiderstand extrem von den Test-Settings abhängt (sie nächster Absatz):

Wärmewiderstand Rth 0,06162 K/W
BLT (Dicke) 0.00000686542 m (6,86542 µm)
Messfläche (1 cm²) 0.0001 m²

Dann ist die Berechnung der Wärmeleitfähigkeit λeff:

λeff= 0.00000686542 m / (0,06162 K/W * 0.0001 m² )

In diesem Beispiel ergibt sich eine effektive Wärmeleitfähigkeit von 1,11423 W/(m·K).

Polymer Pad: Bei 60 PSI und 70 °C von 100 µ auf knapp 7 µm zusammengepresst

Kontakt- bzw. Interface-Widerstände

Der Hersteller verkauft das oben als Beispiel genutzte Polymer-Pad mit 8,5 W/(m·K) und gibt als Testmethode ASTM D5470 an (also genau das, was ich auch mache). Man verwendet einen Druck von 60 PSI und verschweigt leider Fläche, Stärke und Temperatur. Doch wo kommt jetzt die große Diskrepanz beider Werte her? Wir einnern uns an meine Einführung auf dieser Seite und die Erwähnung der ganzen Faktoren mit einem negativen Einfluss. Hier liegt nämlich dieser Wert des sogenannten Interface-bzw. Kontakt-Widerstands als Summe aller negativen Faktoren bereits höher als der Wärmewiderstand der ultradünnen Pad-Fläche! Würde man jetzt diesen Interface-Widerstand mit reichlich 5 mm²K/W ansetzen, wären wir mit viel Zwinkern und einem netten Gruß an das Marketing wieder fast bei den ausgelobten 8 bis 8.5 W/(m·K). Dumm nur, dass man diesen Wert unter anderen, realistischeren Bedingungen weit unterschreiten und in der Praxis meist nie erreichen kann!

Ich greife der nächsten Seite einmal kurz vor und veranschauliche im Querschnitt, was ich eigentlich meine. Wir sehen nämlich, dass der effektive Wärmewiderstand sowohl das Material als auch die beiden Kontaktflächen betrifft. Ja, es gibt sehr aufwändige Verfahren bis hin zu gepulsten Lasern, die auch den reinen Bulkwert sehr genau evaluieren können, nur haben wir ja in der Praxis IMMER Kontaktflächen. Ich nutze für die Messungen Referenzkörper mit einer genormen (niedrigen) Rauheit, so dass man von diesen auch auf die Praxis schließen kann. Am Ende habe ich dann zwei Werte, die effektive Wärmeleitfähigkeit und einen über alle Messpunkte der unterschiedlichen Schichtdicken BLT gemittelten Wert unter Abzug des hochgerechneten Kontaktwiderstandes.

Und nun kommt damit auch das eigentliche Problem: Da der Wärmewiderstand je nach Stärke, Druck und Temperatur linear sein sollte, solange sich das Material nicht auflöst (was natürlich auch eine wichtige Erkenntnis wäre), kann man die Angaben einer einzigen, pauschalisierten Bulk-Wärmeleitfähigkeit für alle Messpunkte zwar machen, aber gilt ja NUR für die eine gemessene Testreihe und deren Bedingungen. Im Umkehrschluss lautet die Erkenntnis, dass man ohne Angaben zu Fläche, Temperatur und Referenzkörpern mit solchen Werten nichts anfangen kann, weil es nicht vergleichbar ist! Deshalb sind die Werte, die ich mit dem TIMA5 für jedes Material unter immer gleichen Bedingungen ermitteln kann, wenigstens unter sich sehr gut vergleichbar, wenn auch oft viel niedriger als die Herstellerangaben. Betrachten wir einmal die Kurven für Rth und λeff für eine unauffällige, industrielle Silikonpaste in Form der DOWSIL 340 mit einer angegebenen Wärmeleitfähigkeit von mindestens 0,67 W/(m·K):

Dieses Produkt ist ehrlich, denn der Wert deckt sich mit den Spezifikationen. Die Hochrechnung des Bulk-Wertes bei exakt 70 °C Sample-Temperatur liegt mit 0,841 W/(m·K) sogar über der angegebenen Mindestgröße, was ehrlich und gut ist. Mehr geht natürlich immer, nur bloß bitte nicht weniger! Ich weiß natürlich, dass die Käufer große Zahlen lieben. Deshalb habe ich mir noch unterschiedliche Industrie-Pasten mit garantierter und vor allem auch bekannter Wärmeleitfähigkeit als Vergleichssamples bestellt, wobei ich pro Paste eine Serienmessung mit unterschiedlichen Schichtdicken und eine mit verschiedenen Kräften mache.

Für die Einordnung und Bewertung der Pasten und Pads werde ich jedoch, so wie auch die Industrie, die sauber gemessene effektive Wärmeleitfähigkeit und meine eigenen Bulk-Estimations vorziehen und nicht den Schönwetter-Bulk-Wert aus den Datenblättern. Denn eines muss ich hier auch erwähnen: mit den Zahlen, die ich jetzt ermitteln kann, werden solche Materialien nämlich entworfen und kontinuierlich weiterentwickelt. Und es bleibt vergleichbar! Wie ich messe und zur effektiven Wärmeleitfähigkeit komme, das werdet Ihr auf der nächsten Seite sehen, wo ich das Messverfahren und die Technik des TIMA5 erkläre.

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GrafBerzerek

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Ich bin auf Teil 2 gespannt, Mal sehen was dann wirklich rauskommt, immer dieses warten ;) Bin gespannt.

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Igor Wallossek

1

10,485 Kommentare 19,652 Likes

Spannungskurve :D

Am Donnerstag geht dann der erste Pastentest online - meine Referenzpaste. Dann kommen viele weitere....

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e
eastcoast_pete

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1,698 Kommentare 1,031 Likes

Was ich schon jetzt sehr gut finde, ist daß Du (@Igor Wallossek ) hier eine ganze Reihe von Experten mit zu Rate gezogen hast, um Deinen Testaufbau so genau und realitätsbezogen wie möglich zu machen! Jetzt warte ich gespannt auf Teil 2. Mich würde auch interessieren, ob sich so mancher Hersteller dieser Pasten bei der Entwicklung (Formulierung) auch soviel Arbeit gemacht hat. Aber das werden wir ja auch bald sehen bzw lesen.

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ipat66

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1,422 Kommentare 1,436 Likes

… und ob die Angaben bezüglich der Wärmeleitfähigkeit irgend etwas mit der Realität zu tun haben.
Ich bin gespannt auf die Ausreißer :)
Tolles Instrument !

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echolot

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1,118 Kommentare 875 Likes

Das muss dann aber für jede Probe reproduzierbar eingearbeitet werden. Hut ab mein Lieber.

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Igor Wallossek

1

10,485 Kommentare 19,652 Likes

Ich habe sogar ein Ritual dafür. Der Rest ist kalibriert :)

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echolot

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1,118 Kommentare 875 Likes

Boah ey. Was ist mit der Kaffeepause? Sind die 20 µm vorgegeben?

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T
Techniker Freak

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51 Kommentare 6 Likes

@Igor Wallossek
Das sieht sehr interessant aus, bin auf die Ergebnisse gespannt.
Wird es einen Artikel geben in dem es um Pasten außerhalb des MHD geht?
Mich würde es interessieren wie sich so eine Paste nach MHD entwickelt. Die Theorie kann man im initialen Artikel abdecken und für die Praxis legst du dir 1 - 3 Pasten hin und testest die 1x im Jahr.

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FfFCMAD

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689 Kommentare 187 Likes

Das die ein Thermaltake THE TOWER 900 benutzen ist putzig. Ich bin ja eher für die weiße Variante, die steht nämlich neben mir

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komatös

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116 Kommentare 93 Likes

Wieso Kaffeepause? Wenn man den ganzen Tag seienm Hobby nachgeht, braucht man keine Kaffeepause. 🤪😂

Aber Spaß bei Seite, ich finde Irgors Test sehr oft aufschlußreich und vielfach ernüchternd.
Die Tests der Radiatoren zum Beispiel. Und dann frage ich mich immer, wo ist Stiftung War(z)entest? Haben die sowas nicht auf dem Radar?

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Igor Wallossek

1

10,485 Kommentare 19,652 Likes

Da ich ab 400 µm abwärts messe, will ich die Paste nicht schon zusammenpressen, bevor nicht alles aufgeheizt ist. Da reicht der kleine Spalt, denn das Test-Script fährt das dann eh allein auf 400 µm (und weiter) runter. Nenne es kleinen Sicherheitsaufschlag meinerseits. Kaffepause kann ich zwischen Punkt 10 und 11 machen. Die reicht für mehrere Tassen Kaffee, denn ich messe ja automatisiert in 25er Schritten bis 25 µm. Das Teil hat eine eingebaute Prüfung und es werden alle Sensoren solange ausgewertet, bis ich mindestens für 2 Sekunden eine stabile Wertermittlung habe. Das kann manchmal echt dauern.

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Exakt :D

Den nehmen viele, weil er sich perfekt anpassen lässt. Es ist ja noch ein kleiner PC mit verbaut (AMD APU) :)

Kostet leider mehr als ein 2024 Mercedes-Benz E-Klasse Kombi in der Basisversion :(

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echolot

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1,118 Kommentare 875 Likes
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veitograf

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30 Kommentare 11 Likes

Ich bin gespannt auf die ergebnisse :)

@Igor Wallossek kleiner type auf seite drei bei der überschrift:

Kontakt- bzw. Interfacde-Widerstände

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big-maec

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916 Kommentare 542 Likes

Ob den Marketingleuten schon warm wird und anfangen zu schwitzen?
:unsure:

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echolot

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1,118 Kommentare 875 Likes

Das glaube ich jetzt nicht bei den "guten" WLPs. Im Großen und Ganzen passt das schon. Andere Kriterien sind mir aber schon wichtig für eine Gesamtbewertung. Z.B. Langzeitverhalten, Verarbeitbarkeit, Homogenität usw.

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DMHas

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59 Kommentare 18 Likes

Ich bin auch schon auf Pasten- und PAD-Tests gespannt. Mal sehen, wer wirklich das versprochene liefert und er nicht!

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E
Eribaeri

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129 Kommentare 49 Likes

Das ist ja mal ein Mega-Projekt und wie bereits beschrieben für die Community echt wichtig!
Gibt es denn auch irgendeine Messung für das Austrocknen der Wärmeleitpasten?
Natürlich sind einige (besonders die pinken) Keramikwärmeleitpasten echt stark, trocknen dann aber an und sind anschließend den gängigen Pasten unterlegen.
Eine solche Messung würde die Tests dann auch alltagstauglich machen. Keine Laborwerte mehr.

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m
modena.ch

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86 Kommentare 36 Likes

Typo auf Seite 4, sollten das nicht Festo-Kupplungen sein und nicht Vesto?
Es sei denn das ist was Anderes..

Aber sehr spannende Sache, so im Detail bei TIMs untersucht such ich schon lange!

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c
carrera

Veteran

102 Kommentare 67 Likes

@Igor Wallossek: that's real passion ... chapeau

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Danke für die Spende



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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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