Vom Wärmewiderstand zur Wärmeleitfähigkeit
Was Wärmewiderstände sind und wie man aus diesen die Wärmeleitfähigkeit errechnet, das muss man natürlich ebenfalls wissen. Und deshalb muss ich Euch jetzt einmal kurz quälen. Um nämlich den Wärmewiderstand Rth in die Wärmeleitfähigkeit λeff umzurechnen, müssen einige Parameter des Materials und der Geometrie bekannt sein. Der Wärmewiderstand und die Wärmeleitfähigkeit sind durch die Dicke des Materials und die Fläche, durch die die Wärme fließt, miteinander verbunden.
- Die Wärmeleitfähigkeit (λeff) wird in Watt pro Meter und Kelvin (W/(m·K)) angegeben
- Der Wärmewiderstand Rth) wird in Kelvin pro Watt (K/W) angegeben
- Dicke des Materials (d) in Metern (m) (auch als BLT bzw. Bond Line Thickness bezeichnet)
- Fläche (A) durch die die Wärme fließt in Quadratmetern (m²)
Der Wärmewiderstand für ein flaches Material ist einfach zu berechnen:
Wenn der Wärmewiderstand Rth, die Dicke d und die Fläche A bekannt sind, so wie bei meinen Messungen, dann kann man diese Formel umstellen, um effektive Wärmeleitfähigkeit λeff zu errechnen:
Nun können wir einmal eine echte Beispielrechnung für ein exemplarisches Phasenwechselpad aus einem reinen Polymer machen, wobei der Wärmewiderstand extrem von den Test-Settings abhängt (sie nächster Absatz):
Wärmewiderstand Rth | 0,06162 K/W |
BLT (Dicke) | 0.00000686542 m (6,86542 µm) |
Messfläche (1 cm²) | 0.0001 m² |
Dann ist die Berechnung der Wärmeleitfähigkeit λeff:
λeff= 0.00000686542 m / (0,06162 K/W * 0.0001 m² )
In diesem Beispiel ergibt sich eine effektive Wärmeleitfähigkeit von 1,11423 W/(m·K).
![](https://www.igorslab.de/wp-content/uploads/2024/06/50-PSI-980x525.jpg)
Kontakt- bzw. Interface-Widerstände
Der Hersteller verkauft das oben als Beispiel genutzte Polymer-Pad mit 8,5 W/(m·K) und gibt als Testmethode ASTM D5470 an (also genau das, was ich auch mache). Man verwendet einen Druck von 60 PSI und verschweigt leider Fläche, Stärke und Temperatur. Doch wo kommt jetzt die große Diskrepanz beider Werte her? Wir einnern uns an meine Einführung auf dieser Seite und die Erwähnung der ganzen Faktoren mit einem negativen Einfluss. Hier liegt nämlich dieser Wert des sogenannten Interface-bzw. Kontakt-Widerstands als Summe aller negativen Faktoren bereits höher als der Wärmewiderstand der ultradünnen Pad-Fläche! Würde man jetzt diesen Interface-Widerstand mit reichlich 5 mm²K/W ansetzen, wären wir mit viel Zwinkern und einem netten Gruß an das Marketing wieder fast bei den ausgelobten 8 bis 8.5 W/(m·K). Dumm nur, dass man diesen Wert unter anderen, realistischeren Bedingungen weit unterschreiten und in der Praxis meist nie erreichen kann!
Ich greife der nächsten Seite einmal kurz vor und veranschauliche im Querschnitt, was ich eigentlich meine. Wir sehen nämlich, dass der effektive Wärmewiderstand sowohl das Material als auch die beiden Kontaktflächen betrifft. Ja, es gibt sehr aufwändige Verfahren bis hin zu gepulsten Lasern, die auch den reinen Bulkwert sehr genau evaluieren können, nur haben wir ja in der Praxis IMMER Kontaktflächen. Ich nutze für die Messungen Referenzkörper mit einer genormen (niedrigen) Rauheit, so dass man von diesen auch auf die Praxis schließen kann. Am Ende habe ich dann zwei Werte, die effektive Wärmeleitfähigkeit und einen über alle Messpunkte der unterschiedlichen Schichtdicken BLT gemittelten Wert unter Abzug des hochgerechneten Kontaktwiderstandes.
Und nun kommt damit auch das eigentliche Problem: Da der Wärmewiderstand je nach Stärke, Druck und Temperatur linear sein sollte, solange sich das Material nicht auflöst (was natürlich auch eine wichtige Erkenntnis wäre), kann man die Angaben einer einzigen, pauschalisierten Bulk-Wärmeleitfähigkeit für alle Messpunkte zwar machen, aber gilt ja NUR für die eine gemessene Testreihe und deren Bedingungen. Im Umkehrschluss lautet die Erkenntnis, dass man ohne Angaben zu Fläche, Temperatur und Referenzkörpern mit solchen Werten nichts anfangen kann, weil es nicht vergleichbar ist! Deshalb sind die Werte, die ich mit dem TIMA5 für jedes Material unter immer gleichen Bedingungen ermitteln kann, wenigstens unter sich sehr gut vergleichbar, wenn auch oft viel niedriger als die Herstellerangaben. Betrachten wir einmal die Kurven für Rth und λeff für eine unauffällige, industrielle Silikonpaste in Form der DOWSIL 340 mit einer angegebenen Wärmeleitfähigkeit von mindestens 0,67 W/(m·K):
Dieses Produkt ist ehrlich, denn der Wert deckt sich mit den Spezifikationen. Die Hochrechnung des Bulk-Wertes bei exakt 70 °C Sample-Temperatur liegt mit 0,841 W/(m·K) sogar über der angegebenen Mindestgröße, was ehrlich und gut ist. Mehr geht natürlich immer, nur bloß bitte nicht weniger! Ich weiß natürlich, dass die Käufer große Zahlen lieben. Deshalb habe ich mir noch unterschiedliche Industrie-Pasten mit garantierter und vor allem auch bekannter Wärmeleitfähigkeit als Vergleichssamples bestellt, wobei ich pro Paste eine Serienmessung mit unterschiedlichen Schichtdicken und eine mit verschiedenen Kräften mache.
Für die Einordnung und Bewertung der Pasten und Pads werde ich jedoch, so wie auch die Industrie, die sauber gemessene effektive Wärmeleitfähigkeit und meine eigenen Bulk-Estimations vorziehen und nicht den Schönwetter-Bulk-Wert aus den Datenblättern. Denn eines muss ich hier auch erwähnen: mit den Zahlen, die ich jetzt ermitteln kann, werden solche Materialien nämlich entworfen und kontinuierlich weiterentwickelt. Und es bleibt vergleichbar! Wie ich messe und zur effektiven Wärmeleitfähigkeit komme, das werdet Ihr auf der nächsten Seite sehen, wo ich das Messverfahren und die Technik des TIMA5 erkläre.
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