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Einmal Bleifrei bitte! Raijintek Calore C360D im Labor analysiert und für gut befunden

Im nunmehr fünften Teilanalysiere ich mit dem Raijintek Calore C360D einen Radiator aus der Community, der mit freundlicherweise für die pathologische Enduntersuchung zur Verfügung gestellt wurde. Die Teile sind günstig und welcher OEM genau dahinter steckt, ist leider auch nicht bekannt. Magiccol, so wie früher, ist es nämlich nicht. Und so steigert sich meine Neugier durchaus, denn der Preis ist nun einmal nicht alles. Der zuletzt noch für rund 150 Euro angebotenen Riesen-Radiator mit 65 mm Dicke ist auch für mein Trennwerkzeug eine echte Herausforderung.

Der  Calore C360D ist mit 1,635 Kilo Brutto mehr als nur ein Ziegelstein, das Teil ist schon fast eine Kampfansage an Arme, Hände und die zu kühlende Technik. Aber geschenkt, ums Kühlen geht es heute ja nicht, sondern allein ums Innenleben. Also quasi um eine Art Autopsie eines aufgeschnittenen Körpers. Pathologie, das schrieb ich ja schon. Hier erst einmal die Daten…

Technische Details

Product Name CALORE C360D
Product Number 0R400056 [0R40A00056]
Dimension [W×D×H] 403.5×119×65.5 mm
Flat Tube 14 set ; 360×13×2mm
FPI (Fin per inch) 14
Tube row 3
Screw Threads G 1/4″
Port 5
Material Messing und Kupfer
Weight 1653 g
Surface Black coated

Messing oder Kupfer?

Man darf Messing natürlich nicht generell verteufeln und Kupfer exklusiv heilsbringend loben, wenn es um rein thermische Belange geht. Etwas Zink schafft mehr Stabilität und lässt durchaus auch dünnwandigere Kanäle zu, wenn man diese Legierung bewusst für die Reduzierung der Wanddicken und damit auch des Wärmewiderstands nutzt. Dann kann man, gutes Engineering vorausgesetzt, sogar noch knapp unter die Werte von Kupfer in dickeren Wandungen kommen. Wenn man es will. Firmen wie Hardware Labs versuchen sich seit Jahren erfolgreich im Verkleinern der Strukturen, während andere mit Messing lediglich Kosten reduzieren. Der Teufel steckt also auch immer im Detail und darin, für welchen Weg man sich letztendlich als Firma entscheidet.

Doch wie ich im ersten Teil bereits schrieb: Die Alltags-Performance ist nicht der Gegenstand dieser Artikel-Reihe, sondern die reinen Materialanalysen und das Auffinden verbotener Stoffe. Ich bitte auch diejenigen, die diese Artikel in Ihren Medien übernehmen, wirklich die Nuancen zu beachten und die Inhalte nicht nur mit eigenen, dann auch mit etwas Pech missverständlichen Worten, auf eine kurze Form herunterzubrechen. Bei Blei ist das wirklich eindeutig und es muss vorbehaltlos kritisiert werden, beim Messing muss man das stets auch das Gesamtkonzept sehen.

Dazu kommt auch, das muss man beachten, wenn man es nicht mit rein deutschen Augen sieht, die unterschiedliche Bedeutung von Kupfer und Messing. Historisch gesehen unterscheidet man im englischsprachigen Raum eigentlich nur zwischen Kupfer- und Aluminium-Radiatoren. Die Feinheiten bezüglich der Unterscheidung zwischen Messing und Kupfer interessieren dort interessanterweise niemanden, erst recht nicht das Marketing. Das muss man im Hinterkopf behalten, wenn die jeweilige PR-Abteilung solche Webseiten erstellt und danach ins Deutsche übersetzt. Aber es geht ja heute um ein deutsches Produkt und die Befindlichkeiten der hiesigen Zielgruppe.

Testequipment für die Materialtests, Genauigkeit und Testvorbereitung

Die Materialprüfung und Vermessung der Radiatoren übernimmt mein Keyence VHX 7000 samt EA-300. Damit sind sowohl exakte Messungen als auch recht genaue Massenermittlungen der chemischen Elemente möglich. Doch wie funktioniert das eigentlich? Die von mir für den Artikel genutzte Laser-induzierte Breakdown-Spektroskopie (LIBS) ist eine Art Atomemissions-Spektroskopie, bei der ein gepulster Laser auf eine Probe gerichtet wird, um einen kleinen Teil davon zu verdampfen und so ein Plasma zu erzeugen.

Die emittierte Strahlung aus diesem Plasma wird dann analysiert, um die Elementzusammensetzung der Probe zu bestimmen. LIBS hat viele Vorteile gegenüber anderen analytischen Techniken. Da nur eine winzige Menge der Probe für die Analyse benötigt wird, ist der Schaden an der Probe minimal. Der richtige Schaden entsteht im heutigen Artikel vorher durch meine eher groben Schneid- und Trennwerkzeuge. Diese noch recht neue Laser-Technik erfordert im Allgemeinen keine spezielle Vorbereitung der Proben für die Materialanalyse. Sogar Feststoffe, Flüssigkeiten und Gase können direkt analysiert werden.

LIBS kann mehrere Elemente gleichzeitig in einer Probe detektieren und kann für eine Vielzahl von Proben verwendet werden, einschließlich biologischer, metallischer, mineralischer und anderer Materialien. Und man erhält eine wirkliche Echtzeit-Analyse, was enorm Zeit spart. Da LIBS im Allgemeinen keine Verbrauchsmaterialien oder gefährlichen Reagenzien benötigt, ist es auch eine relativ sichere Technik, die zudem kein Vakuum wie beim REM + EDX benötigt. Wie bei jeder Analysetechnik gibt es auch bei LIBS natürlich gewisse Einschränkungen und Herausforderungen, aber in vielen meiner Anwendungen, insbesondere wenn Geschwindigkeit, Vielseitigkeit und minimalinvasive Probenentnahme von Vorteil sind, bietet es deutliche Vorteile.

Test-Sample zur Kalibrierung

Ich möchte zunächst darauf hinweisen, dass die Ergebnisse der Anteile in den Übersichten und Tabellen absichtlich auf volle Prozent (wt%, also Gewichtsprozent) gerundet wurden, da es oft genug vorkommt, dass sogar innerhalb des vermutlich gleichen Materials Produktionsschwankungen vorkommen können. Untersuchungen im Promillebereich sind zwar nett, aber heute nicht zielführend, wenn es um eine sichere Auswertung und nicht um Spurenelemente geht. Die Suche nach Blei habe ich deshalb nur bewusst im Prozentbereich gemacht, obwohl die RoHS ja sogar Spurenelemente kritisiert. Mehr zu Genauigkeit und Methodik habe ich weiter unten noch als Link zu einem separaten Artikel verlinkt.

Allerdings beginnt jeder Tag im Labor mit der gleichen Prozedur, denn wenn ich anfange, arbeite ich zuvor eine Checkliste ab, die ich mir erstellt habe. Das dauert jedes Mal bis zu 30 Minuten, wobei ich ja eh auf das Erwärmen des Lasers und die richtige Raumtemperatur warten muss.

  • Mechanische Kalibrierung des X/Y Tisches und der Kameraausrichtung (z.B. fürs Stitchen)
  • Weißabgleich der Kamera für alle genutzten Beleuchtungskörper
  • Ausrichtung von LIBS-Optik und Normalobjektiv prüfen, Ausrichtung des Lasers zur eigenen Optik kalibrieren (x300)
  • Standard-Samples der zu messenden Materialien probetesten und ggf. Kurve korrigieren (siehe Bild oben)

Weitere Artikel aus dieser Artikel-Reihe:

 

Kommentar

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echolot

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Das mit dem Messing anstatt Kupfer scheint die Regel zu sein und bleifrei ist auch keine Selbstverständlichkeit, obwohl es so sein müsste. Thx für die Analyse. Immer wieder gut am Montagmorgen in die Realität zurüchgeworfen zu werden.

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e
eastcoast_pete

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1,698 Kommentare 1,031 Likes

Also, Bleifrei, und möglicherweise sogar Super Bleifrei😁. Und schön, daß der OEM hier sich an die Schadstoffverordnung gehalten hat und die giftigen Schwermetalle hier keine Verwendung fanden.

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S
SpotNic

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1,090 Kommentare 464 Likes

Ich finde es gut, dass du die Falztechnik entsprechend aufgegriffen und erläutert hast. Das war in den älteren Beiträgen doch etwas Vorurteilbehaftet. Danke!

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m
mojomojo

Neuling

6 Kommentare 7 Likes

Interessant, das es selbst OEM Fertiger komplett hinbekommen, das hätte ich im Vorfeld nicht gedacht, wo ja heutzutage wo jeder Cent zählt und jeder Zuliefere spart wo er kann.

Auf der Webseite steht:

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RedF

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4,886 Kommentare 2,717 Likes

Genau, sowas ist immer interessant.
Vor allem wenn man wie ich nicht vom Fach ist.

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arcDaniel

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1,665 Kommentare 924 Likes

Wo ist eigentlich Blei alles verboten? In unseren Fachschulen wird noch bedenkenlos bleihaltiges 60/40 Lot benutzt und so wie ich das Mitbekomme, wird sich dies auch nicht in absehbarer Zeit ändern.

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Martin Gut

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7,955 Kommentare 3,710 Likes

Mit "hochschmelzendem Bleilot mit über 85% Blei" ist nicht das herkömmliche 60/40-Elektronikerlot gemeint, sondern Lot das erst bei 270 bis 310 Grad schmilzt. Was damit gelötet wird, weiss ich nicht. Es hat aber sonst noch ein paar Ausnahmen die Bleilot für gewisse Anwendungen erlauben.

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echolot

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Magst recht haben. Da könne sich die Lötspezialisten mal melden. Die Tabelle ist recht lang und hab keine Böcke.

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Igor Wallossek

1

10,485 Kommentare 19,650 Likes

Fragt mal den Dachdecker und Feinblechner. Die RoHS betrifft eigentlich auch nur alles, was indirekt oder direkt einen Stecker hat. Bei PCs ist das ja der Fall. :)

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arcDaniel

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1,665 Kommentare 924 Likes

Also, ich spreche von Löten im Elektrobereich und da lese ich keine Ausnahme. Komischerweise bekommt man bei uns (Luxemburg) auch noch 60/40 Lötzinn zu kaufen. Im deutschen Online Handel unfindbar.

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e
eastcoast_pete

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1,698 Kommentare 1,031 Likes

Wobei die Angabe "brass" dann ja auch das Messing korrekt angibt, also nicht einfach "copper" schreibt. Bleibt zu hoffen, daß derartig korrekte Fertigung und Beschreibung dann auch von Kunden mit Aufträgen belohnt wird. Denn das beste Argument für Firmen, es so zu machen, ist, wenn es gut für's Geschäft ist.

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e
eastcoast_pete

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1,698 Kommentare 1,031 Likes

Im Elektrobereich wird man auch selten bis nie Hartlöten, weil die meisten Bauteile die damit verbundene Hitze gar nicht mögen.
Das Luxemburg hier 60/40 Zinn noch zulässt, ist schon merkwürdig. Vielleicht warten die auf eine Europaweite Regelung? Wobei ich dachte, die gibt es schon. Vielleicht kann das @Igor Wallossek klarstellen.

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LëMurrrmel

Veteran

184 Kommentare 144 Likes

Hä? Bleihaltiges Lötzinn gibt's doch noch uneingeschränkt zu kaufen. Für Reparaturen werde ich das auch weiterhin verwenden.

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RedF

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4,886 Kommentare 2,717 Likes

Als ich, welches kaufen wollte, gabs das nur mit Gewerbeschein.

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Fladder72

Mitglied

13 Kommentare 2 Likes

Ich müsste mich mal damit befassen was man heutzutage als Ersatz für Arsen in Messing zulegiert, um die Entzinkungsbeständigkeit zu erhöhen. War eine Zeit lang im NE-Metall-Rohrzug in der QS tätig, da hatten wir nen Kunden in England, der Kühler für Oldtimer produzierte. Da kam immer Messing mit Arsen zum Einsatz. Ist halt schon ein Weilchen her.

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D
Deridex

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2,224 Kommentare 858 Likes

Man sollte bei dem ganzen Zeug nicht vergessen, dass es nicht nur RoHS, sondern auch REACH gibt. Ab da wird es aus meiner Sicht unübersichtlich.

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Igor Wallossek

1

10,485 Kommentare 19,650 Likes

REACH... Das musste ich mal ein Dokument für eine winzige Portion Wärmeleitpaste ausfüllen :D

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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