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Schleim im GPU-Wasserblock und weiße Kristalle im Radiator – Über Weichmacher, Korrossion und falsche Materialien | Investigativ

Schleim? Weichmacher, Ausfällungen und die geheimnisvollen “Fäden”

Fangen wir am besten mit dem vermeintlichen Schleim an. Nachdem ich alles getrocknet hatte, sah es fast aus, wie in einem schlecht gereinigten Abfluss beim Frisör des Vertrauens. Also alles in allem war es eine recht haarige Angelegenheit. Unser Fadengewirr ist sogar mehrfarbig, was den Laien sicher verblüffen mag, aber auch etwas mit der Art und Weise der Entstehung zu tun hat. Deshalb folgt jetzt danach noch ein kleiner Theorie-Block, den ich Euch aber leider nicht ersparen kann.

Kein Gully, sondern ein Wasserblock

Weichmacherrückstände in einem Kühlkreislauf können sich auf verschiedene Weisen äußern und verschiedene chemische Elemente können dabei ausgefällt werden. Diese Rückstände können sich an den Kühlfinnen, in Radiatoren und Pumpen ablagern und sie können mit der Zeit auch die Strömung behindern und zu Verstopfungen führen. Weichmacher sind oft ölige oder klebrige Substanzen, die eine entsprechnde Schicht auf Oberflächen im Kühlkreislauf hinterlassen können. Die Anwesenheit von Weichmachern kann die Wasserqualität beeinflussen, was sich in einer erhöhten Trübung, veränderten pH-Werten oder erhöhten organischen Gehalten (z.B. TOC – Total Organic Carbon) äußern kann.

Fun Fact: Weichmacherrückstände können zu einer charakteristischen Geruchsbildung führen, insbesondere wenn sie in höheren Konzentrationen vorliegen oder sich zersetzen. Dann müffelt es und man schiebt es schnell auf vergammeltes Wasser oder abgestorbene Algen. Was man meist nicht beachtet, ist der Umstand, dass diese Rückstände und Ablagerungen langfristig zu chemischen Wechselwirkungen mit anderen Materialien im System führen können, was zu einer Verschlechterung oder einem Verspröden dieser Materialien führen kann.

Bunte Fäden, wohin man schaut.

Weichmacher sind chemisch sehr vielfältig, aber die am häufigsten verwendeten Weichmacher sind Phthalate und adipatbasierte Verbindungen. Phthalate sind Ester der Phthalsäure und eigentlich nicht mehr üblich. Bekannte Vertreter sind DEHP (Diethylhexylphthalat) und DINP (Diisononylphthalat). Adipate sind Ester der Adipinsäure und ein bekannter Vertreter ist DOA (Dioctyladipat). Darüber hinaus gibt es noch  andere Weichmacher wie Organophosphate: und Citrate. Bei der Zersetzung oder Hydrolyse von Weichmachern können chemischen Elemente und Verbindungen ausgefällt werden wie z.B. Kohlenstoffverbindungen (die haben ich z.B. hier gefunden, Bild unten), Wasserstoff und Sauerstoff (als Bestandteil der organischen Säuren und Ester)

Kohlenstoffverbindungen en masse

Doch wie entstanden jetzt diese merkwürdigen Fäden? Die Bildung von fadenförmigen Molekülketten aus Weichmacherrückständen beim Eintrocknen ist ein komplexer Prozess, der durch verschiedene physikalische und chemische Mechanismen beeinflusst wird. Wenn eine Flüssigkeit, die Weichmacher enthält, zu verdunsten beginnt, erhöht sich die Konzentration der Weichmacher in der verbleibenden Flüssigkeit. Das habe ich ja vorher bewusst mit dem Fön ganz schnell erledigt. Dieser Trocknungsprozess führt zu einer Übersättigung der Weichmacher, was die Bildung von festen Rückständen begünstigt.

Was ich jedoch initiiert habe, ist eine sogenannte Nukleation, denn bei zunehmender Übersättigung beginnen sich kleine Kristallkeime zu bilden. Dies ist der erste Schritt der Kristallisation. Diese Keime dienen dann als Ausgangspunkt für das weitere Wachstum der Kristalle, denn an diesen Kristallkeimen lagern sich weitere Weichmacher-Moleküle an. Die spezifischen Eigenschaften des Weichmachers und die Umgebungsbedingungen (z.B. Temperatur, Verdunstungsrate) bestimmen die Wachstumsrate und letztendlich die Form der Kristalle. Und es kommt auch zu sehr verschiedenen Einfärbungen, wenn sie z.B. Kohlenstoffmoleküle verketten:

Der schwarze Faden ist fast reiner Kohlenstoff

Unter bestimmten Bedingungen wachsen die Kristalle dann bevorzugt in einer bestimmten Richtung, was zur Bildung von fadenförmigen Strukturen führt. Diese gerichtete Kristallisation kann durch Faktoren wie die Molekülstruktur des Weichmachers, intermolekulare Kräfte und das Vorhandensein von Verunreinigungen oder anderen Substanzen in der Flüssigkeit beeinflusst werden. Denn Weichmacher-Moleküle sind oft langkettige Verbindungen. Während des Kristallisationsprozesses können sich diese Molekülketten in einer geordneten Weise ausrichten und miteinander verkoppeln, was zur Bildung von exakt diesen fadenförmigen Strukturen führt. Ergo ist das Vorhandensein dieser Ketten der beste Indikator für das Vorhandensein freigesetzten Weichmachers.

Doch es müssen nicht nur Fäden sein, denn in den ruhigeren Bereichen ohne so viel Durchfluss, werden eher kristalline Strukturen abgelagert, die fast wie eine Eischicht (Eisblumen) aussehen können. Doch auch hier findet sich noch jede Menge Kohlenstoff, zusammen mit Natrium (wahrscheinlich aus dem Coolant)

Eisblumen

Und weil es so schön war, das Ganze gleich noch einmal, bevor ich mein Zwischenfazit ziehe.

Zwischenfazit

Nach vollständiger Verdunstung der Flüssigkeit bleiben die fadenförmigen Rückstände als feste Strukturen zurück. Diese Rückstände bestehen aus geordneten, miteinander verbundenen Weichmacher-Molekülen, die sich zu Ketten oder fadenförmigen Kristallen zusammengeschlossen haben. Genau so entsteht die fadenförmige Struktur, die wir gerade Bewundern durch die Kombination von Übersättigung, Nukleation, gerichteter Kristallisation und intermolekularen Wechselwirkungen der Weichmacher-Moleküle während des Trocknungsprozesses.

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big-maec

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Eine Auflistung aller verwendeten Komponenten in diesem Fall und der Flüssigkeit wäre interessant.

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pinkymee

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80 Kommentare 77 Likes

Sehr sehr spannender Artikel! Da braucht es einiges an Chemie Kenntnissen, gell? :)
Es ist aber auch erschreckend zu sehen, was passierst, wenn bestimmte Dinge bei der Herstellung nicht beachtet werden.
Wie lange braucht es für so einen Artikel, vom Aufschrauben des Kühlers, Analysen, Fehlerfindung bzw. korrekte Zusammmenhänge zu erkennen und am Ende den Artikel zu verfassen? Locker einen ganzen Tag, oder? Danke für's Teilhaben. War fast wie ein guter Crimi :)

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Nixwiss

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23 Kommentare 14 Likes

Sehr gut recherchiert und wieder einmal Chemie Grundkenntnisse. Das was mich bei Wasserkühlung stört ist, dass man nicht weiß was der einzelne Hersteller wirklich verbaut und gemacht hat. Hier kann man in Unwissenheit sein gesammtes System innerhalb kurzer Zeit zerstört bekommen ohne wirklich etwas richtig falsch gemacht zu haben.
Nur im dirketen Vergleich kenne ich kein WaKü System welches seit 8 - 10 Jahren unangetastet noch läuft. Luftsysteme sind zwar in der Kühlleistung nicht so effizient aber dauerhaft langlebiger bei wesentlich geringerem Wartungsaufwand.

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echolot

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Kühlmittel immer passend auswählen und regelmäßige Wartung sollten vorbeugen. So etwas hatt ich bis dato noch nicht im Kreislauf. EKWB hat ja auch so tolle CryoFarb-Flüssigkeiten. Da habe ich schon gruseligere Ergebnisse gesehen.

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RazielNoir

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439 Kommentare 202 Likes

Das ist einer der Gründe, warum ich lieber auf Luftkühlung setzte. Regelmäßig Staub entfernen und gut ist...

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Arnonymious

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194 Kommentare 75 Likes

Jo, da bin ich ganz bei meinem Vorredner, wobei mich das Thema WaKü als Custom Loop von der Bastelseite her reizen würde.

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Igor Wallossek

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10,477 Kommentare 19,621 Likes

Steht im Artikel. Die Plörre ist von Innovatek, also Wasser und Glykol.

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echolot

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1,114 Kommentare 871 Likes

Gegen Schlauchauflösung kann auch die beste Plörre nix ausrichten. Deshalb gerade bei Schläuchen auf erfahrungsgemäß gute Schläuche setzen und diese auch regelmäßig austauschen. hatte mit Innovatek bis dato nur gute Erfahrungen.

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HerrRossi

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6,821 Kommentare 2,256 Likes

Sehr interessante Analyse! Dass sogar Stahl zu Korrosion führen kann, hätte ich als Laie jetzt auch nicht gedacht.

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big-maec

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916 Kommentare 541 Likes

Sorry, ich bin am Verzweifeln, habe den Artikel noch mal durchsucht, ich finde nirgends Innovatek.

Vielleicht kann mir mal einer auf die Sprünge helfen, oder muss man das zwischen den Zeilen lesen?

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Nulight

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250 Kommentare 170 Likes

EPDM Schläuche und Ruhe :)
Am besten verlegen lässt sich der von Watercool.

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Tom42

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Flashback! Chemie und Physik an der Schule...

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Steffdeff

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777 Kommentare 729 Likes

Ich hab den Artikel jetzt zum dritten Mal gelesen und kann es auch nicht finden.
Entweder Igor hat Geheimtinte verwendet oder ich brauche eine neue Brille🤓.

Ich habe eine ähnliche Konstellation verbaut, also Alphacool Radiatoren und einen Bykski Kühlblock mit (hoffentlich) guten EPDM Schläuchen.
Momentan ist da alles unauffällig.
Was mich interessieren würde ist wie man da gegensteuern kann! Öfter die Kühlflüssigkeit wechseln?
Die niedrigen Temperaturen der Komponenten durch eine Wakü sind schon was Feines , aber ehe ich mir Glasröhren zurechtbiege setze ich lieber wieder auf Luftkühlung!

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Igor Wallossek

1

10,477 Kommentare 19,621 Likes

Ok, die Plörre stand nicht drin, der Rest schon. Im Video isses drin :P

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RazielNoir

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439 Kommentare 202 Likes

Ja. Die alten Parther wussten schon um die Wechselwirkung zwischen 2 Metallen, auch wenn sie es sicher nicht erklären konnten. ;)
Aber zurück zum Thema. Wasserkühlung ist richtig konzipiert enorm leistungsfähig und individuell anpassbar. Aber es erhöht insbesondere bei Custom-Loops die Komplexität. Somit muss man schon genau wissen, was man tut und auf die Angaben zum Produkt vertrauen können. Das dies leider nicht immer der Fall ist, hat ja Igors Radiatorentest aufgedeckt.

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n
norpeimi

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16 Kommentare 10 Likes

Danke für den coolen Beitrag ; so fängt die Woche schon gut an mit etwas Chemie und Physik mit einem Schuss Krimi .
Solche Beiträge findet man nur hier aus dieser Seite .

Danke vielmals !!!

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ArcusX

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899 Kommentare 521 Likes

Hier meins. Seit 2013. OK ich habe Mal Flüssigkeit nach gegossen und ich musste zwei Schlauchstücke tauschen beim Wechsel der Plattform von i5 3770k auf AMD 5900x. Das war's.
Falls gewünscht kann ich bei Gelegenheit mal die Teileliste so noch vorhanden rausholen.

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R
RazielNoir

Veteran

439 Kommentare 202 Likes

Und Lüfter entstaubt. Das bleibt auch bei WaKü's als ToDo.

Am Liebsten wäre mir ein System, das passiv über das Gehäuse läuft. Aber Leistung und Passiv haben bisher noch nie überzeugend und stabil gut zusammengepasst. Siehe auch Test von Igor vom Monsterlabo the First.

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ArcusX

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899 Kommentare 521 Likes

Ok stimmt. Wobei ich da sehr entspannt bin. Das Gehäuse ist geschlossen, vollkommen verfiltert und am externen Radiator mache ich auch recht wenig. Vielleicht alle drei Jahre kommt da der Staubsauger zum einsatz. Ich fürchte eher seltener. Kein gutes Vorbild. Ich weiss :(

Zu meiner Ehrenrettung sei gesagt, das das Kühlsystem solche Reserven hat, dass es kaum eine Rolle spielt und es durch die Überwachungssystem auch angezeigt würde, wenn es kritisch wird.. ;)

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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