Berechnung einfach erklärt – 4 Faktoren sind wichtig
Ich erinnere noch einmal kurz an die vorige Seite und die Angabe der Wärmeleitfähigkeit in Watt pro Meter Celsius bzw. Watt pro Meter-Kelvin. Einigen wir uns einfach auf W/m*K, wobei man das Sternchen auch weglassen könnte. Da es aber so übersichtlicher ist, lasse ich es einfach stehen. Aber was zur Hölle macht jetzt die Einheit Meter hier? Die Einheit Meter benötigen wir für das Verhältnis aus der Dicke (der Wärmeleitpasten-Schicht) in Metern (m) zur Fläche (der Wärmeleitpasten-Schicht) in Quadratmetern (m²). Rechnet man nun m/m², dann bleibt logischerweise 1/m übrig und wir haben unseren gesuchten Meter (m) fürs Verhältnis. Ist doch gar nicht so schwer.
Unsere Formel benötig nun vier Angaben, die wir kennen oder ermitteln müssen:
Wärmeleitfähigkeit („K”) | Diesen Wert W/(m*K) bzw. W/mK findet man fast immer in den Herstellerangaben |
Anwendungsbereich der Wärmeleitpaste | Fläche des CPU-Heatspreaders bzw. der GPU in m² |
Anwendungsdicke der Wärmeleitpaste | Dicke der Schicht (je nach Skills und Paste) zwischen 0,02 und 0,05 mm (0,00002 bis 0,0005 m) |
Maximale Verlustleistung der CPU in Watt |
Hier stresst man die CPU und ermittelt die sogenannte Package Power |
Ich habe hier nun drei (etwas gerundete) Abmessungen und Flächen für Euch, mit denen es sich mit- und nachrechnen lässt. Wer andere CPUs oder GPUs nutzt, setzt dann einfach seine Werte ein, denn die exemplarischen Kandidaten aus dem Rechenbeispiel sind nicht wirklich taufrisch.
AMD Sockel AM4 | AMD Sockel TR4 | Intel Sockel 1151 | RX 5700 XT |
37.5 mm x 37. 5 mm | 68 mm x 51 mm | 29.5 mm x 29.2 mm | GPU Die |
= 0.00140625 m² | = 0.003468 m² | = 0.0008614 m² | = 0.000251 m² |
So, nun kommt die Formel:
Rpaste = (Dicke / Fläche) * (1 / Wärmeleitfähigkeit)
Beispiel 1 – Ryzen 5 5800X3D
Machen für zum besseren Verständnis jetzt die Beispielrechnung. Kevin-Justin besitzt eher schlechte Skills, aber er macht das mit der Wärmeleitpaste nicht zum ersten Mal. Er kauft sich zudem smarterweise die teure Edelpaste mit 12,5 W/m*K, so dass er am Ende mit Hilfe der sehr flüssigen Paste auf eine mittlere Schichtdicke von 0,00004 m kommt. Außerdem kauft er sich einen Ryzen 5 3600X mit einer Heatspreaderfläche von 0,00140625 m². Jetzt können wir den Temperaturabfall in Kelvin oder °C ganz einfach ausrechnen:
Rpaste = (0.00004 m / 0.00140625 m²) * (1 / 12.5 W/m*K) = 0.002275 K/W
Wenn sein Ryzen 5 3600X jetzt maximal 95 Watt an Abwärme abgibt, beträgt der Temperaturabfall logischerweise 0.002275 K/W * 95 W, also am Ende ganze 0,216 Kelvin bzw. Grad Celsius! Wenn er jetzt allerdings geizig war, und nur die ultragünstige Billigpaste mit 4 W/m*K nimmt, die zudem einen Tick viskoser ist und er mit einer (akzeptablen) Schichtdicke von 0,0001 m auskommen muss, die CPU aber immer noch dieselbe ist, dann schaut das ungefähr so aus:
Rpaste = (0.0001 m / 0.00140625 m²) * (1 / 4 W/m*K) = 0.0178 K/W
Da wir immer noch bei 95 Watt herumkrebsen, muss Kevin-Justin nun mit einem Temperaturabfall von 1.7 Kelvin (bzw. °C) rechnen. Das sind gerade einmal 1.5 Kelvin mehr! Wenn man nun übertaktet und die CPU auf 150 Watt hochprügelt, dann sind es mit der Edelpaste 0,34 Kelvin und mit der Billigpaste 2.67 Kelvin. Der Unterschied beträgt also bereits rund 2,3 Kelvin.
Beispiel 2 – Core i9-10900K
Seine Freundin Chantal-Cheyenne kauft sich lieber einen Intel-Prozessor für ihr tolles Z490-Brettchen und taktet sofort hoch bis der Onkel Doktor kommt. Rechnen wir deshalb gleich mit den 150 Watt, obwohl auch das eher für die Galerie ist. Wer lieber mit 95 Watt leben will, rechnet jetzt einfach selbst. Testen wir wieder Edelpaste gegen Billigpaste:
Rpaste = (0.00004 m / 0.0008614 m²) * (1 / 12.5 W/m*K) = 0.00371 K/W
Rpaste = (0.0001 m / 0.0008614 m²) * (1 / 4 W/m*K) = 0.029 K/W
Bei 150 Watt ergäben sich also 0,557 Kelvin und 4,35 Kelvin, also immerhin schon ca. 3.8 Kelvin Unterschied. Mehr allerdings auch nicht.
Beispiel 3 – Grafikkarte Radeon RX 5700 XT
Die vergleichsweise hohe Wärmedichte ist schon eine Herausforderung und somit unterliegen Grafikkarten wegen der vergleichsweise zur CPU kleinen Fläche bei fast immer deutlich höherer Verlustleistung ihren eigenen Empfehlungen. Nimmt man z.B. den 7-nm-Chip einer Radeon RX 5700 XT und rechnet mit einer mittleren Schichtdicke von 0,00004 m, dann ergibt sich bei der Edelpaste folgende Rechnung
Rpaste = (0.00004 m / 0.000251 m²) * (1 / 12.5 W/m*K) = 0.0127 K/W
Übertaktet man jetzt gehörig und rechnet mit maximal 300 Watt Verlustleistung, dann sind das bereits 3.81 Kelvin mit der guten Paste. Und jetzt fragen wir uns, was mit der Billigpaste passiert, wenn es uns denn gelänge, eine genauso dünne Schicht hinzubekommen. Wir rechnen noch einmal, aber diesmal mit 4 W/m*K:
Rpaste = (0.00004 m / 0.000251 m²) * (1 / 4 W/m*K) = 0.0398 K/W
Jetzt sind es schon satte 11.94 Kelvin und wir verstehen auch, warum ich keine günstigeren Pasten auf Grafikkarten empfehle, auch wenn sie noch so flutschig und “reliable” sind. Das sind über 8 Kelvin Unterschied zwischen günstiger Discounter-Ware und Hummer-Paste aus dem Delikatessengeschäft. Doch es geht ja auch noch besser, denn es gibt sogar konventionelle Produkte mit immerhin 16 W/m*K als Aufdruck. Doch lohnt sich hier der Aufpreis?
Rpaste = (0.00004 m / 0.000251 m²) * (1 / 16 W/m*K) = 0.00996 K/W
Mit 2.99 Kelvin liegt man mit dem anderen Edelstoff jetzt noch 0,9 Kelvin über der Edelpaste. Bei Preisvergleichen muss man allerdings aufpassen, da viele Anbieter bewusst eigene Abfüllgroßen verwenden, um den direkten Preisvergleich etwas zu erschweren.
Viel schadet viel
Wir sehen also, dass zu viel Paste eine zu dicke Schicht ergibt und damit auch einen zu hohen Temperaturabfall verursacht. Und das mit dem höchstmöglichen Anpressdruck ist auch so eine Urban Legend. Man benötigt wirklich nur so viel Druck, dass der Kühler fest und nicht locker sitzt. Natürlich muss die Paste so weit gedrückt werden, dass sie luftfrei die Lücken schließt und dabei auch die dünnstmögliche Schicht ergibt. Die Dünn-durch-Schrauben-Fraktion ersetzt mangelnde Skills mit Drehmoment und presst die Edelpaste so lange seitwärts, bis es nicht dünner geht oder das Motherboard krachend Schaden nimmt. Wer gleich weniger draufkleistert, hat diese Probleme nämlich nicht.
- 1 - Die drei großen P - Einführung zu Pasten, Pads und Putty
- 2 - Sinn und Zweck von Wärmeleitpasten
- 3 - Die große Abrechnung zwischen billig und teuer
- 4 - Die Matrix als Basis aller Pasten und Pads
- 5 - Silikonbasierte Pasten: Optimierung, Haltbarkeit, Zersetzung
- 6 - Wärmeleitende Füllstoffe sind wichtig
- 7 - Wie der Mahlgrad die Performance beeinflusst
- 8 - Silikon-Modifikation für Niedrigtemperaturen und LN2-Overclocking
- 9 - Der Herstellungsprozess von Pasten samt möglicher Hürden
- 10 - Sonderfall Flüssigmetall (LM)
- 11 - Sonderfall Graphitpads und Phase Changer
- 12 - Temperaturfenster, Ausdehnungsverhalten, Applikation
- 13 - Alterung und Zersetzung von Pasten und Pads
- 14 - Hersteller vs. Abfüller, irreführendes Marketing und Fazit
237 Antworten
Kommentar
Lade neue Kommentare
Veteran
1
Veteran
Urgestein
Mitglied
Urgestein
1
Urgestein
Urgestein
Mitglied
Urgestein
1
Mitglied
Urgestein
1
Urgestein
1
Veteran
Alle Kommentare lesen unter igor´sLAB Community →