Wenn man die Schublade öffnet, um etwas zu suchen und dabei eine 20 Jahre alte Wärmeleitpaste findet, gibt es zwei mögliche Reaktionen: wegwerfen oder mir geben, um sie zu testen. Der nette Händler hatte sich für Letzteres entschieden, denn nicht nur meine Neugier stirbt bekanntlich zuletzt. Das ist zwar fast schon wie Dosensuppe aus D-Mark-Zeiten, aber hier ist das Mindeshaltbarkeitsdatum wenigstens nicht sichtbar aufgedruckt. Also muss man auch keine Angst haben, sich wissentlich den Magen zu verderben. Und genau an dieser Stelle setzt dann auch der heutige Test an, denn was nicht drin ist, kann auch nicht verderben. Nur musste ich das erst einmal herausfinden.
Das klingt jetzt etwas kryptisch? Nun ja, wir müssen ja auch noch den Teil mit der Lüge aufklären, den ich in den Titel gesetzt habe. Denn eines hat sich auch in diesen 20 Jahren nicht geändert: Es wird bei den Angaben gelogen, dass sich die Würstchen und Kleckse nur so biegen. Damals wie heute. Doch dazu komme ich gleich noch, Ihr seht im Bild oben die Tube und man erkennt auch, dass sie damals schon mal angebrochen wurde. Doch bevor ich heute anfange zu testen, habe ich natürlich auch die Rückseite studiert. Immerhin 50% Silikon, 20% Carbon und 30% Metalloxid sollen in der Mischung drin sein.
Das wirft natürlich Fragen auf und weckt die Neugier. Doch lässt sich die Paste auch nach 20 Jahren noch herausdrücken? Ja, sie ließ sich. Und es war eine Konsistenz, die noch akzeptabel war! Also habe ich erst einmal ein Würstchen auf einen Objektträger gedrückt und getestet, wie gut es sich noch verstreichen lässt. Das ging noch relativ gut, auch wenn das Original damals vielleicht ein wenig flüssiger gewesen sein könne. Aber bretthart ist es auch nicht. Den Rest hebe ich mir natürlich auf für den 200-Watt-Kühlertest. Doch erst einmal prüfe ich, ob das Etikett überhaupt stimmt.
Was drin sein sollte
Die Verwendung von Carbon als Zusatz in Wärmeleitpaste war damals ein innovativer Ansatz in der Wärmeableitungstechnologie, insbesondere bei Hochleistungs-Computersystemen. Carbon, insbesondere in Form von Mikropartikeln, bietet aufgrund seiner einzigartigen Eigenschaften nämlich mehrere Vorteile. Zunächst einmal ist Carbon natürlich bekannt für seine hervorragende Wärmeleitfähigkeit. Diese Eigenschaft ist entscheidend für Wärmeleitpasten, da sie die Wärme effizient von der CPU zum Kühlkörper übertragen müssen. Durch die Verwendung von Carbon können diese Pasten die Wärme schneller und effektiver abführen als herkömmliche Pasten, die auf Silikon- oder Metallbasis hergestellt werden. Zumindest in der Theorie.
Ein weiterer Vorteil von Carbon ist seine chemische Stabilität. Carbon-basierte Wärmeleitpasten neigen weniger dazu, über die Zeit hinweg auszutrocknen oder ihre Konsistenz zu verändern. Dies gewährleistet eine langanhaltende Leistung und Zuverlässigkeit, was besonders wichtig ist, da das erneute Auftragen der Paste auf Prozessoren und anderen Komponenten zeitaufwendig sein kann. Darüber hinaus sind solche Carbon-Partikel elektrisch nicht leitend, was ein großes Plus für die Sicherheit elektronischer Komponenten darstellt. Das klingt jetzt alles richtig gut und innovativ, doch was steckt nun wirklich in der Tube? Die Spannungskurve steigt.
Messaufbau
Bevor ich das jetzt analysiere, will ich noch kurz den Begriff und die dahinter stehende Methode erklären, denn ganz ohne Background geht es nicht. LIBS ist dabei ein Akronym für Laser Induced Breakdown Spectroscopy (laserinduzierte Plasmaspektroskopie). Die im Bild sichtbare Einheit von KEYENCE (EA300) zur Analyse von Materialien setzt genau diese Methode ein, welche auf die Nutzung eines hochsicheren Klasse 1 Lasers setzt. In diesem Prozess konvertiert der verwendete Laser die Oberfläche des zu analysierenden Objekts in einen Plasma-Zustand. Dabei werden Atome und Moleküle des Materials ionisiert, was dazu führt, dass sie Licht emittieren.
Um diese Emission zu messen und auszuwerten, wird ein hochauflösendes Breitbandspektrometer verwendet. Dieses Gerät ist in der Lage, ein breites Spektrum an Lichtfarben zu detektieren und zu analysieren, das sich vom tiefen Ultraviolett-Bereich bis hin zum Nah-Infrarot-Bereich erstreckt. Diese Breitband-Fähigkeit ermöglicht es, eine umfassende Analyse der verschiedenen Elemente zu erstellen, die in dem Material enthalten sind, da jedes Element eine spezifische Lichtfarbe oder -frequenz emittiert. Das Design des hier verwendeten Systems ist so konzipiert, dass die Objektive des Mikroskops auf der gleichen Achse positioniert sind. Diese spezielle Anordnung optimiert die Erkennung von Elementen im Messbereich. Diese konzentrierte und präzise Analyse ermöglicht es der Materialanalyse-Einheit, genaue und zuverlässige Daten über die Zusammensetzung des untersuchten Materials zu liefern.
So viel zur Theorie, doch was passiert mit den Daten? Das von mir erworbene Gerät ist mit einer umfangreichen internen Datenbank ausgestattet, die Tausende von Materialstrukturen beinhaltet und die ich sogar selbst kontinuierlich erweitern kann. Zum Beispiel um Verbindungen in Wärmeleitpasten. Diese Ressource ermöglicht es dem System, basierend auf den identifizierten Elementen, rasch eine Vorhersage des wahrscheinlichsten Materialnamens zu machen. Um die Benutzerfreundlichkeit zu erhöhen, sind die Materialdaten in einer hierarchischen Struktur organisiert. Dies vereinfacht den Zugriff auf spezifische Informationen wie den spezifischen Materialnamen, den generischen Namen und die Beschreibung des Materials. Also eine Art EDX für Dummies und in wirklich schnell. Naja, und reinigen muss man hinterher auch nichts.
Zusätzlich zu den vorliegenden Materialstrukturen hat die Datenbank auch die Fähigkeit, frühere interne Analyseergebnisse zu speichern und bei Bedarf abzurufen. Wenn also ähnliche Fremdpartikel bei späteren Analysen erkannt werden, können diese früheren Ergebnisse als Referenz dienen. Dieses Merkmal erleichtert nicht nur erfahrenen Nutzern die Arbeit, sondern ermöglicht auch ungeübten Anwendern, Materialien auf einfache und effiziente Weise zu identifizieren. Die Kombination von umfangreicher Datenbank, intuitiver Strukturierung und Referenzmöglichkeiten trägt dazu bei, die Materialidentifizierung für Anwender aller Erfahrungsstufen zu optimieren.
Die kompakte und abnehmbare Einheit beherbergt eine spezialisierte Dreifachoptik für Betrachtung, Laser und Spektroskopie. Sie ist so konzipiert, dass sie einen zentralen Lasertransmissionspfad mit Spiegelreflexoptik nahe dem Objektiv bietet, was eine hochleistungsfähige Fokussierung der Plasmaemission ermöglicht. Dank der Kombination von KEYENCE-Technologien konnten die Komponenten deutlich verkleinert und dennoch hohe Leistungen erreicht werden. Die Einheit bietet eine innovative Funktion zur Verknüpfung von Sichtfeld und Fokus.
Dies ermöglicht Mikroskop- und Laser-Objektiv, das gleiche Sichtfeld zu nutzen, indem sie einfach verschoben werden. Dadurch sind während der Analyse keine Ausrichtung und Fokuseinstellung notwendig. Das Austauschen und Anbringen des jeweils am besten geeigneten Objektivs ist einfach bequem, unabhängig vom Vergrößerungsgrad. Die Messung ist nicht ganz zerstörungsfrei, aber man kann dadurch auch Schicht für Schicht abtragen und die darunter liegenden Bereiche erneut messen. Vorteil vs. Nachteil – man kann es abwägen.
Doch genug der Theorie, denn am Ende wollen wir ja wissen, was jetzt wirklich in dieser Paste drin ist. Schließlich will ich Euch ja nicht so ein Gerät verkaufen (das hat schon ein anderer bei mir geschafft), sondern nur zeigen, was damit möglich ist. Genau das gibt es jetzt nach dem Umblättern!
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