Ich will die ganzen Mutmaßungen, Versuche und möglichen Erklärungen gar nicht mehr alle wiederholen, das langweilt mittlerweile nur noch. Was sich aber hartnäckig hielt, war die doch recht einseitige Schuldzuweisung an die Benutzer, die angeblich zu dumm zum richtigen Einstecken sein sollten. Ja, diese Fälle gab es, vor allem dann, wenn sich die Kabel bzw. Adapter nur sehr schwer einstecken ließen und der Anwender aus purer Angst keine Gewalt anwenden wollte. Nur muss man aus heutiger Sicht konstatieren, dass es nur ein Grund von vielen war. Nichtsdestotrotz hat sich die PCI SIG dazu durchgerungen, nicht nur die originalen Federkontakte zu geißeln (auch darüber hatte ich exklusiv berichtet), sondern auch die Anwendersicherheit herzustellen, die man beim ersten Modell schlicht außer Acht gelassen hatte.
Der 12VHPWR Connector geht und der 12V-2×6 Connector kommt
Man nahm die Erkenntnisse der ersten Monate endlich ernst und modifizierte den Steckverbinder, arbeitete an einer neuen Normierung und testete natürlich auch bis zum Erbrechen (was man eigentlich ganz am Anfang hätte machen sollen). Das Produkt bekam einen neuen Namen (wir erinnern uns an die Zeichnung von Lotes), obwohl es am Ende ja nur eine Weiterentwicklung war. Und wenn wir uns die neu eingebrachten Umsetzungshinweise so anschauen, dann sehen wir auch, dass ich mit meinen ganzen Artikeln und Videos zu den Kabelbiegungen, dem Crimpen und Löten sowie den seitlichen Belastungen goldrichtig lag. Die Problematik mit dem 12VHPWR nur pauschal mit mit der Unfähigkeit der Anwender abzutun, mag NVIDIA zwar einen Tag vor der Bekanntgabe der Quartalsergebnisse medienwirksam sehr gelegen gekommen sein, aber es wird der komplexen Materie einfach nicht gerecht.
Die neue CEM 5.1 Spezifikation ersetzten den 12VHPWR-Stecker durch einen neuen 12V-2×6-Stecker und sollte als Basisspezifikation weniger verwirrend sein, da sie die Messregeln für maximale und anhaltende Leistung in der gleichen Weise definiert wie allgemein verwendete Formfaktorspezifikationen. Dieses Steckerdesign wurde eingeführt, um Karten mit bis zu 675 Watt zu unterstützen. Dabei entfielen auf den Stecker bis zu 600 Watt, auf den Mainboardslot (PEG) bis zu 75 Watt. Das war durchaus neu, denn bisher setzt die CEM 5.0 auf eine Maximalleistung von 600 Watt für die Summe aus beiden Anschlüssen, egal wie sich das aufteilte,
Dazu kam endlich auch die Aktualisierung der Standardmessmethode für maximale und anhaltende Leistung, um den bestehenden Formfaktorspezifikationen zu entsprechen und damit die nötige Konsistenz zwischen den Spezifikationen zu gewährleisten. Doch man hat auch auf die Kompatibilität geachtet. Man sieht keine Auswirkungen auf Hardware, die 12V-2×6 nicht unterstützt. Geringfügige Auswirkungen gab es hingegen auf der Hardware geben, die die Basisspezifikation für die Implementierung der 150W- und 300W-Versionen der 12VHPWR-Sense-Pin-Erkennung befolgen musste.
Man sieht auch keine Auswirkungen auf Softwareimplikationen, es sei denn, die Software unterstützt den CEM-Formfaktor. Software, die das Power Budgeting Sense Detect Register verwendet, wird Updates benötigen, um die neuen definierten Codierungen widerzuspiegeln. Software, die das Feld “Steckertyp” verwendet, muss demnach aktualisiert werden, um die zusätzliche Steckertyp-Codierung zu unterstützen. Doch auch hier ist bei Grafikkarten und Netzteilen bisher nichts Relevantes bekannt. Man hatte es eh bisher nirgends implementiert. Konfigurationsspeicher-Tests müssen möglicherweise aktualisiert werden, um Erweiterungskarten, die die neuen Codierungen verwenden, nicht als fehlerhaft zu markieren.
Der neue 12V-2×6 Stromstecker liefert ebenfalls bis zu 55 A Dauerstrom, um die Erweiterungskarte mit maximal 600 W an einer 12 V Aux-Schiene zu versorgen. Die Leistungsanforderungen an den Stecker und die Kabelbaugruppe sind wie folgt:
- Stromstärkenbewertung der Strompins (Seitenbandkontakte ausgenommen): Mindestens 9,2 A pro Pin/Position mit einer Grenze von 30 °C T-Anstieg über den Umgebungstemperaturbedingungen bei +12 V Gleichspannung mit allen zwölf Kontakten aktiviert.
- Der Steckerkörper muss ein Etikett oder ein geprägtes H++ Zeichen aufweisen, um die Unterstützung von 9,2 A/Pin oder mehr anzuzeigen. Siehe Abbildung oben für die ungefähre Positionierung der Markierung auf dem 12V-2×6 Rechtwinkligen (R/A) Header.
- Aufgrund von Variationen im Kontaktwiderstand kann ein einzelner Pin mehr als 9,2 A Strom sehen, abhängig vom ungleichmäßigen Kabelkontaktwiderstand, aber der Gesamtstrom für die Baugruppe darf 55A RMS in jede Richtung nicht überschreiten. Das betrifft auch Messungen und Anforderungen an die Variabilität des Kontaktwiderstands.
- Die Integratoren der Kabelbaugruppe müssen sicherstellen, dass die Baugruppe, einschließlich der 16 AWG Drähte und der Pins, die Mindeststromanforderung und den maximalen Temperaturanstieg erfüllt, wie oben für ihre Implementierung angegeben.
- Haltekraft des verriegelten Steckers: Mindestens 45,00 N, wenn der Stecker axial gezogen wird
Mechanische Änderungen des Headers
Die größte Änderung erfuhr der sogenannte Header, also die Buchse, die auch den Erweiterungskarten wie z.B. Grafikkarten fest verlötet wird. Der 12V-2×6 Stecker ist nun bedingt kompatibel zu älteren Grafikkarten mit 12VHPWR-Header und die aktuellen 12VHPWR-Anschlusskabel der Netzteile sowie die Adapter werden wiederum mehr oder weniger kompatibel zum 12V-2×6 Header sein. Zwölf große Kontakte führen, wie gehabt, die Stromschiene und vier kleinere Kontakte darunter führen Seitenbandsignale. Genau dort gibt es die größten Änderungen.
Die Aktualisierung der 12VHPWR-Codierung erfolgt übrigens auch, um die mittlerweile auch veröffentlichte CEM 5.1 exakt widerzuspiegeln (denn die Basisspezifikation und die CEM 5.0 waren sogar inkonsistent). Für Erweiterungskarten mit 150 Watt oder 300 Watt galten neue Regeln und die Erkennung der 150 Watt Karten erforderte sogar noch eine externe Beschaltung (siehe weiter unten). Logisch ist zudem , dass der 12V-2×6 natürlich auch weiterhin nicht mit den PCI Express 2×3 und 2×4 PCIe Steckern (Aux) kompatibel ist. Die Stromstifte des 12V-2×6 Steckers haben einen Abstand von 3,0 mm, während die Kontakte in einem 2×3 und 2×4 Stecker auf einem größeren Raster von 4,2 mm liegen.
Ich schrieb ja bereits vor über einem Jahr erstmals, dass die PCI SIG die vier unteren, sogenannten Sense-Pins der Seitenbandsignale mechanisch zurücksetzen wird. Solange der Stecker dann nicht weit genug im Header sitzt (bis zum Einrasten), fehlt das Seitenbandsignal der beiden Pins für die Erkennung. Damit wird die Karte gar nicht erst eingeschaltet bzw. wird beim ungewollten Herausrutschen des Steckers sofort abgeschaltet. Der 12V-2×6 Header besitzt die gleichen Außenabmessungen, auch der finale Druckpunkt der Sense-Pins liegt wieder bei 3 mm, um die Kompatibilität zu sichern. Doch jetzt wird es interessant. Die Spitzen der Sense-Pins liegen nun 1.7 mm nach innen versetzt, was einer Änderung um 1.25 mm entspricht. Der eigentlich Pin hinter der Spitze, wo es den ersten Kontakt gibt, liegt nun sogar 2 mm hinter der Außenkante. Das schafft deutlich mehr Sicherheit.
Neue Leistungsklassen mit 150 und 300 Watt
Durch die Beschaltung von Pin 0 gegen Masse und das Offenlassen von Pin 1 erreicht man 300 Watt. Die 150 Watt Beschaltung ist tricky und neu: Man verbindet einfach Pin 0 und Pin 1 direkt und ohne Masse. Das wiederum erfordert neue Kabel oder ein spezielles Netzteil:
Mechanische Änderungen der Stecker mit 2 Optionen
Auch die Stecker der Kabel bzw. Adapter werden wohl noch leicht geändert und es wird sie, aller Voraussicht nach, sogar in zwei leicht unterschiedlichen Versionen geben. Wir sehen bei Option 1 einen 0.7 mm dicken Absatz unterhalb der Sense-Pins, bei Option 2 gibt es diesen nicht. Der restlichen Außenabmessungen beider Optionen sind jedoch identisch. Es war bisher jedoch nicht in Erfahrung zu bringen, warum man diese Optionen überhaupt einführt.
Das Gleiche gilt für die Federkontakte, auch wenn sich die letzte Empfehlung der PCI SIG im CEM 5.0 eindeutig gegen die Astron-Kontakte ausgesprochen hatte. Das NTK-Design wurde dort eindeutig empfohlen.
Wichtige Umsetzungshinweise für die 12V-2×6 Kabel bezüglich Qualität und Verarbeitung
Um unnötigen Stress auf den Crimp-Kontakten zu vermeiden, sollten die Kabelbündel nicht unmittelbar nach dem Austritt aus der Rückseite des Steckers gebogen werden. Die Kabel sollten weder gestreckt noch in irgendeiner Weise eingeschränkt werden. Die IPC/WHMA-A-620-Norm schreibt Praktiken und Anforderungen für die Herstellung von Kabel-, Draht- und Kabelbaugruppen vor. Die Norm beschreibt Materialien, Methoden, Tests und Akzeptanzkriterien für die Herstellung von gecrimpten, mechanisch gesicherten und gelöteten Verbindungen sowie die damit verbundenen Montageaktivitäten (entsprechende Befestigungs-/Zurückhaltungskriterien) im Zusammenhang mit Kabel- und Kabelbaugruppen.
Die Variabilität des Kontaktwiderstands innerhalb einer Kabelbaugruppe verursacht eine Stromungleichgewicht zwischen den Kontakten und kann dazu führen, dass einzelne Kontakte und/oder Drähte den in Abschnitt 9.1 angegebenen Strom pro Pin überschreiten. Darüber hinaus kann dieses Stromungleichgewicht durch Kabelbiegung und/oder seitliche Belastung der Kabelbaugruppe, die mit der Erweiterungskarte verbunden ist, erhöht werden. Der spezifische Draht, die Stecker und der Herstellungsprozess, der für eine Kabelbaugruppe verwendet wird, müssen so ausgelegt sein, dass sie das Stromungleichgewicht aufgrund der Variabilität des Kontaktwiderstands und der Seitenbelastung akzeptieren. Seitenbelastung wird hier als eine in jede in Abbildung 9-10 definierte Richtung senkrecht zu den Gehäusekörpern aufgebrachte Last definiert.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch daran, dass ich exakt diese Umstände der Seitenbelastung sowohl in meinen damaligen Untersuchungen als auch in den Artikeln und Videos aufgegriffen und thematisiert habe. Dass dieser wichtige Umstand nach vielen Hinweisen und Messungen nun auch in die Spezifikationen aufgenommen wird, bestätigt einmal mehr, dass die pure Pauschalisierung auf Anwenderfehler dem Problem einfach nicht gerecht werden kann. Das betrifft auch meine Untersuchungen zum Crimpen bzw. Löten und der Ausführung der Kabel.
Messungen und Prüfverfahren
Zum besseren Verständnis erkläre ich kurz worum es sich bei der Low Level Contact Resistance (LLCR) handelt. Die LLCR wird in Kombination mit mehreren anderen Tests verwendet, um die Gesamtleistung eines Teils unter bestimmten Bedingungen zu verfolgen. Es geht im Detail darum, den elektrischen Widerstand eines Systems unter Test mit einer Leerlaufspannung zu messen. Die Spannung ist niedrig genug, um dünne Filme, die in der Kontaktstelle existieren könnten, nicht zu stören.
Das Stromniveau ist auch niedrig genug, um sicherzustellen, dass das Gerät unter Test nicht erhitzt und Asperitäten (Unregelmäßigkeiten einer Oberfläche) nicht schmelzen. Mit anderen Worten, der Strom ist niedrig genug, dass Oxidschichten nicht zerstört werden und die Ergebnisse verfälschen. LLCR wird in Milliohm (mΩ) gemessen, und eine normale LLCR-Lesung liegt zwischen 5-15 mΩ für ein Board-to-Board-System. Für den Test ist die Spannung auf 20 mV und der Strom auf 100 mA begrenzt. Eine Änderung von R größer 15 mOhm wird typischerweise als Ausfall betrachtet.
Um den Niedrigpegel-Kontaktwiderstand zu messen und zu prüfen, ob ein gekoppelter Steckerkopf- und Kabelbaugruppendesign den Kontaktwiderstand unter Seitenbelastungsbedingungen kontrollieren kann, wird die folgende Methodik vorgeschlagen:
- Befestigen des Steckers der Erweiterungskarte an einer Vorrichtung.
- Das LLCR der Kabelbaugruppe wird vom Footprint der Buchse auf der Oberseite der Erweiterungskarten-PCB bis zu 50 mm von dem Punkt gemessen, an dem der Draht den Körper des Steckers verlässt. Der Zweck der Kontrolle des Messpunktes besteht darin, sicherzustellen, dass die Drahtlänge und ihr Beitrag zum Kontaktwiderstand wiederholbar sind. Dies impliziert keine Einschränkung der spezifischen Kabelbaugruppenimplementierung
- Ausführen von 30 Steckzyklen zwischen dem Stecker und der Kabelbaugruppe
- Protokollieren der LLCR jedes Leiters der Kabelbaugruppe im unbelasteten Zustand.
- Verwenden einer Seitenlast von 20 N in jede der in der obigen definierte Richtung. Die Last muss auf das Kabelbündel und jenseits jeglicher Kabelbinder oder Zugentlastungseigenschaften der Baugruppe angewendet werden, falls vorhanden. Notieren des LLCR jedes Leiters, sobald das Messergebnis einen stabilen Wert erreicht hat.
- Berechnen des durchschnittlichen Kontaktwiderstandes der Pin-Gruppen 1-6 und 7-12 unabhängig für jeden Seitenlastzustand
- Das Resultat für LLCR darf sich unter jedem Testbedingung bei keinem Pin um mehr als 50% vom Durchschnitt der jeweiligen Gruppe dieses Pins ändern. Ein maximales LLCR von 6 mOhm/Kontakt ist für jeden Leiter als Obergrenze vorgeschrieben.
Temperaturen
Auch zu den Temperaturen und den Grenzwerten gibt es neue Ausführungen. Nimmt man die Wärmeentwicklung der Platine hinzu (Shunts mit über 100 °C!) und die mögliche Aufheizung der Pins durch eine Fremdeinwirkung von Seiten der Platine und nicht nur durch die fließenden Ströme und den Kontaktwiderstand, dann kann man aus den festgelegten Temperaturgrenzen für die Haltbarkeit sicher auch den Schluss ziehen, dass vor allem luftgekühlte Karten im Bereich des Stromanschlusses anders konzipiert werden sollten.
- 1 - 2x EPS und über 700 Watt? Es hätte so einfach sein können!
- 2 - NVIDIA kommt bei der Founders Edition in Platznot
- 3 - GeForce RTX 3090 Ti: Spielwiese für Ada und den 12VHPWR
- 4 - Der 12VHPWR-Adapter von NVIDIA
- 5 - Vom 12VHPWR zum 12V2x6 Connector - User-Error de luxe?
- 6 - Flip-Header, Qualitätsmängel und ein Fazit
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