Der Trick mit dem smarten Adapter
Da es noch keine nativen Netzteilkabel gab, musste jeder Boardpartner den neuen Ada-Karten eine speziellen Adapter beilegen. Je nach benötigter Leistung waren das Anfangs Adapter mit drei (450 Watt) oder vier (600 Watt) 8-Pin Steck-Headern für die 6+2 Netzteilkabel. Mit etwas Trickserei könnte man die Karte in der Theorie auch mit einem einzigen 6+2-Pin-Kabel betreiben und dass es geht, liegt in der Natur der Sache. Nur muss eben man auch wissen, wie dieser Adapter funktionierte. Da NVIDIA noch nicht einmal den Boardpartnern und Netzteilherstellern verraten wollte, wie die Logik des Adapters funktioniert, blieben nur mein Labor, logisches Denken und natürlich auch etwas Trial & Error. Immerhin hatte man nun zwei Seitenbandkanäle mit angeschlossen.
Bereits vor dem Launch hatte ich bemerkt, dass sich das Power Limit der RTX 4090 FE automatisch verringert, wenn man ein Kabel weglässt. Das ist insofern ärgerlich, als dass NVIDIA nettes PCAT-Tool zur Messung der Leistungsaufnahme nur über drei Rails verfügt. Da ich aber eine sehr gut gefüllte Kabel-Kiste besitze, war ein Y-Stück schnell gefunden. Oder sogar zwei… Das ging dann auch ganz gut. Sogar mit 2 Kabeln und satten 600 Watt.
Doch das wäre ja viel zu einfach und NVIDIA rechnet zudem mit der “Unbedarftheit” der Kunden (nur nicht beim Einstecken, aber das ist ein anderes Thema). Also musste es sich um eine einfache Schaltlogik (UND-Gatter) handeln, die die beiden Pins des 12VHPWR dann entsprechend verschaltet. Also habe ich mal die ganzen Leitungen freigelegt und eigentlich genau das gesehen, was ich anhand meiner ersten Messungen zwischen den Kabeln auch erwartet hatte. Ohne angesteckte Kabel sind bereits jeweils die sechs 12V-Pins und die sechs Masse-Pins in Stecker gebrückt, so dass ein auch nur noch eine einzige Spannungsschiene gibt. Damit entfällt natürlich auch die Möglichkeit, fehlende Rails zu erkennen, wie man es früher schaltungstechnisch auf der Grafikkarten-Platine beim Fehlen eines Steckers bemerken konnte. Und genau deshalb geht die ganze Geschichte leider auch mit einem einzigen Kabel zu betreiben, wenn man zusätzlich etwas trickst. Einer der beiden Sense-Pins pro 6+2 Buchse war mit keiner der Leitungen direkt verbunden, auch nicht mit den beiden ersten Seitenband-Kontakten, die im 12VHPWR für die Erkennung der TBP verantwortlich sind. Allerdings war der Widerstand auch nicht unendlich groß, sondern lag im Bereich üblicher IC-Eingänge. Aha, da haben wir es ja!
Doch schauen wir noch einmal kurz auf mein damals freigelegtes Kabelgewirr: Was sehen wir jetzt im Detail? Zum einen führt nur jeweils eine 12-Volt- und Masse-Leitung pro Buchse zum 12VHPWR, was aufgrund der Kürze des Kabels aber gar kein Beinbruch ist. Und messtechnisch ist es so, dass der obere der beiden Sense-Pins noch direkt in der Buchse an Masse angebunden ist. Und dann wird es interessant! An die erste 8-Pin-Buchse führen insgesamt 5 Leitungen: die zwei von den Sense-Pins des 12VHPWR -Steckers und jeweils ausgehend drei weitere Kabel, von denen jeweils eins an einen der anderen Anschlüsse führt.
Daraus ergibt sich natürlich auch, dass in der ersten Buchse eine kleine Schaltlogik verbaut sein musste, die über die 12V-Leitung elegant und unbemerkt mit gespeist wird. Da wir bereits wissen, dass am 12VHPWR alle Leitungen gebrückt auf einer einzigen Schiene liegen, muss das Kabel #1 also noch nicht einmal am Netzteil angeschlossen sein, wenn mindestens ein anderes angeschlossen wurde. Wenn man das herausgefunden hat, kann man ja der Übersichtlichkeit halber noch ein Blockschaltbild zeichnen, welches das Ganze schön veranschaulicht:
Erste Schäden – Adapter mit Lötfehlern
Damit wäre dann auch geklärt, wie NVIDIAs smarter “Wunder-Adapter” funktioniert. Gut, wenn er denn funktioniert. Das Löten musste man bei Astron scheinbar noch üben. Denn gleich nach dem Launch erreichten die ersten Schadensmeldungen bereits die Social-Media-Blase. Auch wir hatten einen veritablen Defekt mit verschmorter Verbindung und unsere Untersuchung hatte damals NVIDIA auf den Plan gerufen, jedoch noch nicht offiziell, sondern nur in den eigenen Boardpartner-Kreisen. Aber dass NVIDIA derart schnell und konsequent auf das vorab erfolgte Reporting reagiert, hat nicht nur mich überrascht. Das muss man dem Hersteller in diesem Falle wirklich zugutehalten, auch wenn natürlich auch die Schadens- und Kostenbegrenzung eine große Rolle spielen mag.
Der betreffende Adapter stammte von Astron, also der Firma, die das teil federführend entworfen hatte. Das hat insofern einen faden Beigeschmack, als dass es die Ingenieure dort hätten besser wissen müssen. Solche Lötexzesse von dick auf dünn, sowie verpresste Leitungen ohne echte Zugentlastung im Stecker, sind technisch gesehen nicht nur Unfug und grob fahrlässig, sondern eigentlich auch verboten, weil sie allen Regeln der Elektrotechnik widersprechen. NVIDIA hat sich zwar noch nicht selbst öffentlich zu Wort gemeldet, wohl aber bereits alle betroffenen Boardpartner kontaktiert. Da ich die Möglichkeit habe, in den großen Firmen auch direkt die Verantwortlichen zu fragen, könnte ich schon das eine oder andere Statement einfangen.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass NVIDIA selbst nicht so genau wusste, was der Supplier da im Inneren des vergossenen Steckers für eine Kontakt-Party veranstaltet. Sonst hätte man dieses Teil in dieser Form gar nicht abnicken dürfen. Wenn man hier nämlich Schicht für Schicht abträgt, dann kommt schrittweise etwas zum Vorschein, was man besser gar nicht erst gesehen hätte:
Es verteilen sich insgesamt vier dicke 14AWG-Leitungen auf insgesamt sechs Kontakte, wobei die beiden äußeren Leitungen an jeweils einen Pin angelötet werden und die beiden mittleren an jeweils zwei Pins. Lötbasis ist eine lediglich 0,2 mm dünne Kupferfolie mit 2 mm Breite pro eingehender Leitung, was für die mittleren Anschlüsse dann 4 mm pro Paar ergibt. Darauf eine bzw. sogar zwei 14AWG-Leitungen zu verlöten, ist arg sportlich. Konfuzius sagt dazu lapidar, “Was eingegossen ist, sieht man nicht und was man nicht sieht, kann auch nicht kaputt gehen.”
Doch allein schon das vorsichtige Abheben der umhüllenden Schicht lässt die dünne Folie sofort reißen. Womit wir auch sehen, dass das Abbiegen der Kabel am Stecker im Gehäuse derartige Schäden verursachen kann. Wackelkontakte bzw. unsichere Brücken, sowie erhöhte Widerstände in Folge solcher Aktionen sind bei diesen Stromstärken jedoch hochgefährlich und führen sehr schnell zu genau den Fehlern, die wir bereits weiter oben gesehen habe. Und man erkennt nun auch, warum besonders die beiden äußeren Kontakte des Steckers betroffen sind. Die verschmorte Buchse an der Karte ist dann lediglich der Folgeschaden.
Man kann aber den Stecker noch weiter auftrennen und schauen, was sich da im Inneren genau befindet. Denn auch dieses Detail ist hochinteressant für die Ursachenforschung. Wir sehen, dass die Kontakte im Stecker noch einmal untereinander verbunden sind. Wenn jetzt im schlimmsten Fall die äußeren zwei Leitungen abbrechen, fließt der gesamte Strom in der Mitte über die verbleibenden zwei Leitungen und verteilt sich dann erst wieder im Stecker. Doch auch diese “Folie” ist dünn und ersetzt kein echtes 14AWG. Dass das dann richtig heiß wird, muss man sicher nicht noch extra erklären..
Auch ich habe damals zunächst gedacht, dass die Ursache einfach einzukreisen sei. Wie falsch wir am Ende alle lagen, hatte ich ja unlängst im Artikel zur Qualität der Header erklärt und auch dort noch einmal alle bisher aufgetretenen Fehlerquellen aufgelistet. Aber da komme ich erst später noch einmal darauf zurück.
- 1 - 2x EPS und über 700 Watt? Es hätte so einfach sein können!
- 2 - NVIDIA kommt bei der Founders Edition in Platznot
- 3 - GeForce RTX 3090 Ti: Spielwiese für Ada und den 12VHPWR
- 4 - Der 12VHPWR-Adapter von NVIDIA
- 5 - Vom 12VHPWR zum 12V2x6 Connector - User-Error de luxe?
- 6 - Flip-Header, Qualitätsmängel und ein Fazit
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