Wer bis damals geglaubt hatte, der komische kleine Stecker wäre nur eine putzige Ausnahme für NVIDIAs Founders Edition, der irrte sich grundlegend. Die GeForce RTX 3090 Ti war längst schon als Spielwiese für die kommende GeForce RTX 4090 mit dem neuen Ada-Chip geplant und Ihr erinnert Euch sicher noch an meine Artikel, wo ich von einem 600-Watt Test Vehicle schrieb, das in der Industrie bei den Boardpartnern bereits im Frühjahr 2022 munter vor sich hin schwitzen durfte. Diesmal mussten auch die Boardpartner-Karten den neuen, nun euphorisch 12VHPWR-Connector getauften Steckverbinder benutzen. Hier sehen wir exemplarisch den Ausschnitt meiner MSI RTX 3090 Ti SuprimX:
Man erkennt jetzt auch die neuen vier Pins für die sogenannten Seitenbandsignale, über deren finale Verwendung man zu diesem Zeitpunkt noch munter stritt. In den ersten Revisionen der CEM 5.0 war lediglich ein Pin deklariert, der über die maximale Last von 450 Watt (nichts belegt) und 600 Watt (belegt) entschied. Da die Firmware das noch nicht kannte, blieb es bei den 450 Watt der RTX 3090 Ti, wobei die Platinen bereits die entsprechenden Tracks aufwiesen. Allerdings wurde das nur intern für das genutzt, was ich damals schon scherzhaft “Ada’s Playground” nannte. Mit einer kleinen Brücke und einem Engineering-BIOS ließ sich der GA102 locker auf 600 Watt prügeln. Aber das war erst einmal nichts für die Öffentlichkeit. Heute können wir ja entspannter drüber schreiben.
Sowohl der Header als auch der Adapter wiesen zwar noch das bekannte Profil der einzelnen Öffnungen auf, allerdings war der Adapter nun mittels einer abweichenden Brücke kodiert. So sind nunmehr die unteren beiden Pins mit einem Steg versehen worden. Somit passte der Adapter für die RTX 3090 mit seinen 2x 6+2 Pin und bis zu 300 Watt nicht mehr in die GeForce RTX 3090 Ti mit ihren bis zu 450 Watt Leistungsaufnahme und vise versa:
Werfen wir mal einen Blick auf die Entwurfszeichnung von Astron aus dem Jahr 2021 (!), die ich mir damals schon besorgen konnte und die ich hier (aus nachvollziehbaren Gründen) stark verkleinert und zudem digital verfremdet habe. Wir sehen auf dieser Zeichnung sogar alle drei Varianten! Von links nach rechts finden wir unten die endgültige Version bis 600 Watt ohne Key, die mit dem Key 1 für 300 Watt und die mit dem Key 2 für 450 Watt. Einige Details habe ich mit Absicht entfernt, auch das genaue Datum:
Dass wir heute so wenige defekte GeForce RTX 3090 Ti sehen, liegt zum einen natürlich an deren eher homöopathischen Stückzahl und dem Umstand, dass die 450 Watt ganz offensichtlich noch real machbar waren. Schließt man den Benutzer als Faktor einmal komplett aus, dann sind es auch heute überwiegend nur die Asus-Karten mit dem Flip-Header (um 180° gedreht), dem ich aber später noch ein eigenes Kapitel gewidmet habe. Wichtig ist hierbei allerdings Eines: dieser 12VHPWR-Connector wurde NICHT von Molex entwickelt, sondern unter der Federführung von Astron als eine Art Derivat.
Inwieweit hier Lizenzen erworben wurden, entzieht sich meiner Kenntnis, allerdings ist der 12VHPWR nun de facto ein unabhängiger Fork des Micro-Fit. 3.0. Dazu kamen anfangs noch, zumindest ist dies mein Wissensstand, zwei weitere Firmen, die sich den Headern widmeten: Lotes und Amphenol. Betrachten wir die Zeichnung von Lotes, dann sehen wir am Datum, dass die erste Version bereits im Sommer 2021 vorlag und man sich hier nur mit der 600-Watt-Version ohne Key beschäftigte. Bei Lotes hieß der Stecker übrigens 12V 2×6 Power Connector, also genauso, wie der spätere, verbesserte 12VHPWR in der Nomenklatur von Astron. Oops!
Auch Amphenol (klingt wie ein Verdünnungsmittel) schrieb bereits im Sommer 2021 vom 12VHPWR Header, auch wenn die Produkte intern als Minitek liefen.
Warum die Masse-Pins oben liegen (sollten)
Auch hier muss man in die Geschichte schauen und sich die Entwicklung der Molex-Header genau ansehen. Es gibt die präferenzierte Variante der senkrechten Montage (und Verlötung), so dass die Öffnung nach oben zeigt und alle Pins gleich kurz sind. Das ist nicht nur die elektrisch beste Variante, sondern auch mechanisch optimal. Das galt bereits seit gefühlten Jahrzenten beim Mini-Fit und dann auch beim Micro-Fit. Und selbst beim 12VHPWR wurde die Variante eigentlich empfohlen.
Eine Ausnahme sind lediglich die um 90° gewinkelten Header, die liegend von der Platine wegzeigen. Hier hat man sich aus elektrischen Gründen natürlich dafür entschieden, die stromführenden Pins so kurz wie möglich zu halten und die Masse-Pins quasi oben zu platzieren und somit auch zu verlängern. Das ist beim 12VHPWR nicht viel anders, obwohl man aus mir unerklärlichen Gründen die vier Sense-Pins noch unterhalb der stromführenden Pins platziert hat. Damit ergibt sich eine sinnlose Verlängerung dieser Profildrähte, was den Header elektrisch und mechanisch schwächt. Einer meiner Kontakte beim Originalproduzenten meinte nur lakonisch “Konfuzius sagt..”
Das mit den kurzen Strom-Pins hat sich aus plausiblen Gründen über viele Jahre so durchgesetzt und schon die Flip-Header der 6+2-Verbindung (PCI SIG 2×4) stehen hier diesem bewährten Prinzip konträr entgegen. Selbst wenn die Ausfallrate der Mini-Fit Stecker auf den Grafikkarten um ein Vielfaches niedriger ausfällt als beim Micro-Fit-Design, waren es, zumindest bei KrisFix, doch immer sogenannte Flip-Header, die auf AMD-Karten ausgefallen sind (auch wenn es sehr wenige waren). Einen zerstörten, originalen Mini-Fit Header habe ich bisher allerdings noch keinen gesehen. Das merken wir uns jetzt bitte, bevor wir später noch einmal auf den Asus-Adapter zurückkommen, der da noch eine ganze Schippe drauflegt.
So viel also zum Übergangsmodell und der (vorläufigen) Endfassung des 12VHPWR-Connectors, der es nun in der Form ohne Keys auch in die Stecker-Wikipedia CEM 5.0 geschafft hatte. Ok, wir hatten nun bis zu vier Seitenbandsignale für eine weitere Definition. Aber die mussten erst einmal warten, denn auch Intel war mit im Boot und ein zentrales, Mainboard-gesteuertes Power Management, bei dem Mainboard, Netzteil und Grafikkarte smart kommunizieren können, gibt es ja bekanntlich bis heute nicht. Dafür kam aber die Vier-Kabel-Peitsche – also schnell auf zum nächsten Kapitel.
- 1 - 2x EPS und über 700 Watt? Es hätte so einfach sein können!
- 2 - NVIDIA kommt bei der Founders Edition in Platznot
- 3 - GeForce RTX 3090 Ti: Spielwiese für Ada und den 12VHPWR
- 4 - Der 12VHPWR-Adapter von NVIDIA
- 5 - Vom 12VHPWR zum 12V2x6 Connector - User-Error de luxe?
- 6 - Flip-Header, Qualitätsmängel und ein Fazit
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