Messaufbau
Nach über 40 Jahren Hörerfahrung, der Arbeit hinter und vor der Bühne, semi-professionellen Aufzeichnungen von Live- und Studio-Musik sowie unzähligen Konzertbesuchen über viele Genres hinweg traue ich mir durchaus zu, Headsets und Kopfhörer auch subjektiv beurteilen zu können. Da gibt es sicher auch viele Kollegen, die das noch besser können als ich, aber leider auch so manche Publikation, wo Hand- und Ohr-Auflegen die Erfahrung und das Können ersetzen und die meisten Leser dann kaum in der Lage sind, das eine vom anderen zu trennen.
Da bleibt am Ende wirklich nur die gnadenlose Messung übrig, die man der subjektiven Beurteilung zu Grunde legt. Aber wir wollen ja auch den einschlägigen Audio-Spezialisten keine Konkurrenz machen, soviel maße ich mir da gar nicht an. Nur dass auch mein Aufbau so manchem Vergleich durchaus standhalten kann, womit das Anliegen unserer Seite ja bestens zu erfüllen ist: eine neutrale und unvoreingenommene Bewertung abzugeben.
Messergebnisse
Ohrpolster und der richtige Sitz: beide Kriterien sind in jedem Fall ausschlaggebend für den akustischen Erfolg oder Misserfolg. Wie gut die Sofakissen dann performen, muss die Messung zeigen. Mein subjektives Empfinden ist immer noch etwas zwiegespalten, damals wie heute, aber dazu später mehr. Zunächst habe ich erst einmal alle vier Bass-Einstellungen durchlaufen lassen und die Kurven übereinander gelegt. Ich bezweifle auch, dass es am Polster liegt, denn die eine Bassdelle bei 70 Hz in der Grundeinstellung ohne mechanischen Bass-Boost (gelb) und den 80 Hz bei den drei Stufen von wenig (rot), mittel (weiß) und maximal (lila) war damals schon und ist auch heute noch wirklich echt schräg.
Ich muss mir selbst den Vorwurf machen, dass ich seinerzeit (also vor 8 Jahren) nur mit geglätteten Kurven und einem deutlich schlechteren Equipment gemessen habe und mir diese Delle bei weitem nicht so extrem ausgefallen ist. Aber sag niemals nie, irgendwann jage ich alle Samples noch einmal durch diesen Test, Im Prinzip trifft der Custom One Pro durchaus die Harmann-Kurve (schwarzes Underlay), zumindest oberhalb von einem Kilohertz ein wenig. Aber alles darunter ist zum Teil schon erschreckend. Nur fehlten mir damals leider auch die technischen Mittel, diesen Unfug wirklich stichhaltig beweisen zu können.
Schaltet man den Boost ganz aus, fehlt der Tiefbass und der Abfall zwischen Oberbass (ab ca. 100 Hz aufwärts) und der 50-Hz-Marke ist geradezu brutal. Das hört man und es klingt mit den fast 14 dB++ Abfall fast schon wie ein harter elektrischer Low-Cut. Zumal es auch danach nie weniger als 8 dB werden. Im umgekehrten Fall sind alle Boost-Settings außer dem minimalen (rot) glatt für die Tonne. Auch subjektiv rumpelt hier alles mit Boost zum Gotterbarmen. Gut, die durch das mechanische Sounding erzeugte Delle fällt nicht ganz so auf, weil sie die große Basstrommel darunter nicht stört. Wegdiskutieren kann man die Folgen nicht, denn die mechanisch beeinflusste Kurve schiebt sich bis hin zu den unteren Mitten, um dann in einer gemeinsamen Rille bei ca. 780 Hz zu enden.
Die Zerfalls-Kurven (Burst Decay) machen das Unheil erst recht sichtbar. Für den direkten Vergleich habe ich jeweils die Minimal- und Maximalstellung gewählt und man muss das alles noch nicht einmal beschriften, um zu wissen, was dann was ist. Beginnen wir mit dem Hauch von gar nichts. Wie sehen die fiese 70-Hz-Delle und den starken Überhänger bei reichlich 100 Hz. Darunter kommt dann auch nichts mehr.
Im Extremfall hingegen schiebt es die Delle um 10 Hz nach oben, während sich die Kellerblase hochmotiviert ins akustische Schleudertrauma bollert. Man sieht zudem auch sehr deutlich, wo die lila Kurve (siehe oben) den Gürtel richtig eng schnallt. Bei ca. 350 Hz werden dann plötzlich die Zwangsdiät zelebriert und mit Slim-Fast die Ohren weichgespült. Nein, das braucht man so wirklich nicht.
Zur Ehrenrettung muss man dem Teil jedoch zugestehen, dass es zwar der typische Gaming-Bassbomber für Jaden Jill Joel ist (den gibt es wirklich), den viele akustisch fehlgeleitete Streamer so sehr mögen, dass dann aber in den Bereichen, wo es ausschließlich um Ortung und Räumlichkeit geht, durchaus so manche Gaming-Tröte galant geschlagen wird. Da stören die softeren Polster also überhaupt nicht. Musik kann man damit ja eh nicht hören, das ist einfach nur zu viel oder zu wenig Bass. Aber ab den Mitten ist und bleibt es ein sehr gutes Gaming-Headset. Auch das ist ein Fakt. Mit oder ohne Sofakissen.
Zusammenfassung und Fazit
Ich hätte für das gleiche Geld wie für die Reparatur-Komponenten auch ein Sharkoon Skiller SGH 50 im Angebot kaufen können. Weniger Image, schlechtere Optik aber besserer Klang, vor allem beim Bass und beim Mikrofon. So gesehen war die Rettung auch eine Art freundliche Geste, weil ich ungern etwas wegwerfe und das Custom One Pro wirklich ein Musterexemplar für komplett verkorkstes mechanisches Sounding ist. Genau dieser Einhorn-Faktor hat das gute Stück dann wohl auch gerettet.
Ob ich das Headset jemals wieder nutzen werde bleibt allerdings fraglich, denn auch vor acht Jahren war es ja der aufdringliche (oder fehlende Bass, je nachdem), der mir das Beyerdynamic Custom One Pro schon nach wenigen Tagen dermaßen verleitet hat, dass es im Lager gelandet und dort auch so lange verblieben ist.
Beyerdynamic Custom One Pro – Kapitaler Lagerschaden, oder wie sich ein Headset selbst zerstört
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