Lastspitzen, die sogar nominell ausreichend bemessene Netzteile zum plötzlichen Abschalten bringen können, sind gerade in aller Munde, vor allem seit dem Launch von NVIDIAs aktueller Ampere Generation. Dass das die Legendenbildung und natürlich auch die Zubehörindustrie mit auf den Plan ruft, ist auch unbestritten. Doch bringt es überhaupt etwas, außerhalb der Grafikkarte, also gleich nach den 8-Pin-Buchsen noch einen Kondensator zwischen den 12 Volt-Leitungen und Masse zu positionieren? Jain, aber eher mit einer Tendenz zum Nein. Da sich das Ganze auch messen und erklären lässt, habe ich mich einfach mal darangesetzt.
Testaufbau und Methodik
Der Testaufbau dafür ein relativ einfach, denn ich messe einerseits die fließenden Ströme direkt an der Grafikkarte, also gleich hinter dem Stecker. In den nachfolgenden Messungen sehen wir diese Werte immer als blaue Kurve. Im Bild sehen wir einen meiner Kondensator-Adapter und bei der Messung ohne Adapter setzt die Zange an der gleichen Position, dann aber direkt auf den PCIe-Anschlusskabel.
Dann messe ich die Ströme noch einmal direkt am Netzteil, also kurz vor der Anschlussbuchse am vollmodularen Netzteil. Zum Einsatz kommt ein be quiet! Straight Power mit 1000 Watt Nennleistung und angenehm niedriger Restwelligkeit. Diese Werte repräsentiert später die gelbe Kurve. Die ebenfalls in den Kurvendiagrammen auftauchende rote Kurve stellt die Differenz der fließenden Ströme dar (Blau minus Gelb), sie ist also eine Art Verlustkurve.
Auf dem nachfolgenden Bild sehen wir noch einmal den Testaufbau im Stück. Die Lila-Kurve ist hier die Betriebsspannung, die ich zur Kontrolle direkt an der Grafikkarte messe. Man kann aber bereits auf den Bild erkennen, dass es selbst im Mikrosekundenbereich keinerlei Spannungsschwankungen gibt und die leichten Fransen die normale Restwelligkeit repräsentieren, die man immer vorfindet. Genau aus diesem Grund habe ich in den Grafiken, auch zur besseren Nachvollziehbarkeit, die jeweilige Leistung in Watt als Produkt aus Strom und Spannung aufgeführt und nicht nur die Ströme. Für die Allgemeinheit dürfte dies einfach verständlicher sein.
Für den Test nutze ich mit Absicht ein Modell mit nur einem einzigen 8-Pin-Versorgungsanschluss in Form der GeForce RTX 3070 Founders Edition, weil es das Messen im obigen Aufbau doch deutlich vereinfacht. Allerdings hängen auch bei dieser Karte nicht alle Phasen der GPU-Spannungsversorgung (NVVDD) am externen PCIe-Anschluss. sondern satte 5,5 Ampere (also das Maximum des von der PCI SIG als Norm Erlaubten) fließen auch über den Motherboard-Slot! Knapp 66 Watt der Gesamtleistungsaufnahme von 225 Watt gehen also nicht über das angeschlossene PCIe-Kabel, was etwas weniger als ein Drittel ist. Trotzdem bleibt da noch ein ordentlicher Stromfluss am Kabel übrig.
Ich habe mit verschiedenen Intervallen, Kapazitäten und Kondensatortypen experimentiert: Aluminium-Elektrolyt- vs. Aluminium-Polymer-Kondensatoren und Kapazitäten von 160 bis 4400 μF sowie Messintervallen von 100 ms bis 6 ms (was bei 6000 Messpunkten dann eine Auflösung von 200 bis zu 10 μS ergibt). Bei einem durchschnittlichen Stromfluss von 12,7 Ampere am Netzteil (und einer Leistung von knapp 153 Watt) waren allerdings alle Kapazitäten unterhalb von 1000 μF nahezu wirkungslos, egal, welcher Kondensatortyp genutzt wurde. Ab 1000 μF habe ich nur noch Elektrolyt-Kondensatoren genutzt und am Ende waren es dann über die Zwischenstation mit 2200 μF sogar satte 4400 μF, um überhaupt signifikante Unterschiede noch optisch darstellen zu können!
Die Anregung zu dieser Messreihe und erste Erfahrungen resultieren übrigens noch aus meinem Besuch der Entwicklungsabteilung von FSP auf Taiwan, als es genau um die damals aufkommende Thematik der immer Lastspitzen-freudigeren Grafikkarten ging. Wir sehen also, das Thema ist nicht neu, nur aktuell deutlich wichtiger als noch damals. Ich verzichte an dieser Stelle auch bewusst auf die näheren Erläuterungen zu den Unterschieden bei den Kondensator-Typen, weil sich diese für den aktuellen Versuch als eher nebensächlich erwiesen haben. sowie auf eine andere Details, die die Allgemeinheit eher irritieren als aufklären würden.
Eingangsfilterung auf Grafikkarten, Ausgangsfilterung am Netzteil und das Anschlusskabel
Die sogenannte Eingangsfilterung ist eigentlich eher eine Ausgangsfilterung, welche die hochfrequenten Einflüsse der mit 300 bis 500 KHz recht schnell schaltenden Spannungswandler auf den Rest des System zu unterdrücken hilft. Während NVIDIA im Base-Design-Kit der Referenz weiterhin auf eine jeweils eine Spule pro Rail /Buchse (Low-Pass) als einfache Längsdrossel setzt, ist es bei AMD seit Big Navi jeweils ein echtes LC-Filter (siehe Bild unten) mit Spule (Low Pass) und einem oder zwei Kondensatoren (Aluminium-Polymer, High Pass). Das ist also nichts anderes als eine Art Tiefpass2. Ordnung. Gegen die auftretenden maximalen Lastspitzen hilft das alles also nur bedingt, auch wenn es durchaus etwas Kurvenkosmetik bedeuten kann. Nun ja, etwas.
Die Richtung des LC-Filters lässt sich übrigens immer schön daran erkennen, auf welcher Seite der Spulen die Kondensatoren angeordnet sind, wenn nur eine Seite damit beglückt wurde. Am Bild oben erkennt man, dass die Richtung des Filters von Richtung VRM zu den Buchsen geht (Lötaugen oben). Und genau jetzt stellt sich die Frage, was ein an der Ausgangsseite (also noch hinter der Buchse positionierter) Kondensator eigentlich bringen soll. Es ist ja bereits ein normaler Tiefpass 1. Ordnung und würde am Ende nur zu einem Pi-Filter erweitert, was aber in unserem Fall gar nichts bringt.
Netzteilseitig ist in jedem besseren Netzteil mit modularem Kabelmanagement sowieso auf (oder kurz vor) der Anschlussplatine der eine oder andere Solid verbaut (Bild unten), der aber in erster Linie die streuenden Einflüsse des Haupttransformators in Richtung Ausgang zur Grafikkarte abblocken soll. Denn auch Kabel und Platinen wirken wie Antennen. Sekundärseitig ist also alles abgepuffert und bestückt. Genau da messe ich ja auch die gelbe Kurve.
Zwischen den beiden Komponenten befindet sich außerdem ein ordentliches PCIe-Anschlusskabel. Je geringer der Widerstand (Querschnitt, Kupferqualität, Länge), umso weniger werden wir noch Einflüsse und Leitungsverluste feststellen können. So gerüstet, können wir nun ans Werk gehen und die beiden Extremfälle messen. Einmal ganz ohne “Filter” und einmal mit einer Kombination aus zwei großen Elektrolyt-Kondensatoren, um überhaupt etwas messen zu können. Als dann…. bitte weiterblättern!
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